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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Stimmungsschwankungen hätte rechnen müssen. Außerdem war die Liste der Klagen viel zu offenkundig: »Scheiße! Meine Frau hat gesagt, sie wird mich verlassen, sie hat alle meine Ersparnisse verplempert, ich hab ’n Scheißjob. Ich hab einfach die Schnauze voll.«
    »Überstürzen Sie nichts, Mr. Pearce. Also, wie schwer ist Ihre Frau verletzt? Braucht sie einen Krankenwagen?«
    Die Stimme klang ungläubig. »Einen Krankenwagen? Schätzchen, ich hab ihr gerade den Schädel weggepustet.«
    Dann war die Leitung tot.
     
    Danach lag die Angelegenheit nicht mehr in ihren Händen. Das CIB kümmerte sich darum – Challis, Sutton und Destry. Pam nahm noch ein paar Anrufe entgegen – eine verlorene Brieftasche, Kinder, die auf den Eisenbahngleisen spielten –, machte eine Teepause und träumte von ihrem neuen Auto. Sie hoffte, sich die Raten leisten zu können.
    Der zweite Anruf kam um zwanzig nach elf. Eine gebrechlich klingende ältere Frauenstimme. »Ist dort die Polizei?«
    »Ja. Kann ich Ihnen behilflich sein?« Pam spürte eine gewisse Verlegenheit.
    »Ich weiß, es klingt absurd, aber ich habe gerade ein merkwürdiges Gespräch mit einem kleinen Mädchen geführt.«
    Pam, die sofort an Exhibitionist oder »freundlicher Onkel« dachte, sagte bedächtig: »Ich verstehe.«
    »Am Telefon«, sagte die Frau. »Vor etwa anderthalb Stunden.«
    »Am Telefon. Ich verstehe nicht …«
    »Ich wollte erst nichts sagen«, fuhr die alte Frau fort, »aber je länger ich darüber nachdachte, umso mehr hatte ich den Eindruck, dass da etwas nicht stimmte.«
    »Noch mal ganz von vorn«, sagte Pam und klopfte mit der Spitze ihres Stiftes auf den Schreibtisch.
    »Nun, wie schon gesagt, kurz vor zehn Uhr heute Morgen klingelte das Telefon. Ich hob ab, und eine kleine Stimme sagte: ›Hi, Omi, ich bins, Clare.‹ Und dann redete und redete sie.«
    »Und?«
    »Ich habe kein Enkelkind namens Clare.«
    »Nein?«
    »Nein. Diese kleine Stimme sagt: ›Danke für das Geburtstagsgeschenk, Omi, ich freu mich schon auf die Geburtstagsparty am Samstag, aber erst hab ich Ballett, kommst du und schaust mir zu?‹ Und immer so weiter, das arme kleine Ding.«
    »Also, ich finde, das hört sich wie ein ganz unschuldiges Versehen an«, sagte Pam. »Sie hat einfach nur die falsche Nummer gewählt, mehr nicht. Hat Ihre Stimme gehört und gedacht, Sie seien die Oma.«
    Die Stimme der Anruferin klang nun etwas ungeduldig. »Lassen Sie mich doch ausreden. Sie lassen mich nicht ausreden. Das Kind erzählte weiter und sagte, wenn ihr Vater sich nur endlich beeilen und aufstehen würde. Sie sei mehrmals ins Schlafzimmer gegangen und habe ihn gerüttelt, aber er wolle einfach nicht aufwachen. Dann sagte sie, sie glaube, er brauche wohl einen Arzt, denn da sei Blut auf dem Kopfkissen.«
    Pams Aufmerksamkeit war geweckt. »Warum haben Sie das nicht sofort gemeldet?«
    »Weil das Kind nicht beunruhigt schien und ich dachte, es gibt doch alle möglichen Gründe, warum ihr Vater im Bett liegt und sich Blut auf dem Kissen befindet. Vielleicht ist er betrunken und war in einen Streit verwickelt und ist ohnmächtig geworden.« Die Frau verstummte. »Aber Sie haben Recht, ich hätte früher anrufen sollen.«
    »Na, jetzt haben Sie es ja getan«, sagte Pam freundlich, »das ist die Hauptsache. Haben Sie gefragt, ob die Mutter da ist?«
    »Ja. Wenigstens so weit hatte ich noch alle meine Murmeln beisammen. Sie sagte, ihre Mutter ginge immer früh zur Arbeit und bleibe manchmal über Nacht fort. Vielleicht arbeitet sie in der Stadt. Das tun ja viele. Pendeln jeden Tag hin und her.«
    »Ja. Was können Sie mir noch berichten? Irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte, das Haus zu finden oder herauszubekommen, wer diese Leute sind.«
    »Tut mir Leid, das ist alles.«
    »Wenn Sie mir vielleicht Ihre Telefonnummer geben …«
    Die Frau nannte sie ihr, und Pam kritzelte sie auf ihren Block.
    »Das ist ja in Penzance Beach«, stellte sie fest. »Da wohne ich.«
    »Ach wirklich? Dann sind Sie eine der wenigen jungen Leute hier. Sonst wohnen hier nur so alte Hennen wie ich.«
    »Das Kind hat wahrscheinlich ein paar Zahlen vertauscht oder auf eine falsche Taste gedrückt«, sagte Pam. »Ich werde mal ein paar Telefonnummern ausprobieren. Vielleicht habe ich Glück.«
    Die alte Frau kicherte. »Hauptsache, Sie rufen nicht wieder bei mir an. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass Sie schnell fündig werden.«
    Pam hatte eine halbe Stunde und neunzehn Anrufe später tatsächlich Glück.

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