Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
Vom Netzwerk:
einen Atomregen, und man könnte nicht mehr atmen? Nimm mal an, daß die radioaktiven Strahlen keinen Respekt vor deinem Körper haben?«
    »In diesem Fall, mein Junge«, sagte er, »bin ich darauf vorbereitet, Schluß zu machen. Aber wenn die Lage so ist, daß ich noch etwas tun kann, werde ich auf keinen Fall klein beigeben. Du kennst mich doch ganz gut, Ed. Du kannst dir sicher vorstellen, daß ich in diese Berge ginge, und ich glaube, daß ich zurechtkäme, wo viele andere versagen würden.«
    »Du bist also bereit dazu?«
    »Ich glaube ja«, sagte er. »Psychologisch bin ich es bestimmt. Manchmal ist mir, als könnte ich nicht mehr warten. Das Leben ist heutzutage so beschissen und so kompliziert, daß es mir nichts ausmachen würde, wenn es jetzt gleich passierte, ganz schnell, damit nur die Leute überleben, die sich darauf vorbereitet haben. Du kannst natürlich sagen, ich hätte den großen Überlebens-Tick, einen richtigen Klaps. Und um die Wahrheit zu sagen, glaube ich, daß den die meisten anderen Menschen nicht haben. Sie heulen vielleicht und raufen sich die Haare und sind höchstens auf irgendeine Massenhysterie oder so vorbereitet, aber ich glaube, die meisten wären noch nicht mal unglücklich, wenn alles schnell vorbeiginge und sie es hinter sich hätten.«
    »Machst du dir eigentlich allein Gedanken darüber? Oder weiß deine Frau davon?«
    »Klar. Die Sache mit dem Bunker hat sie sehr interessiert. Jetzt lernt sie Kochen im Freien. Und sie kann es auch schon verdammt gut. Sie spricht sogar davon, ihre Farben mitzunehmen und eine neue Kunst zu machen, wo die Dinge auf das absolut Wesentliche reduziert werden, wie bei den Höhlenmalereien, und wo es den ganzen Hokuspokus der Kunst nicht mehr gibt.«
    Ich hatte das deutliche Gefühl, daß er über das alles mit seiner Frau und vielleicht noch ein paar anderen Leuten schon viel zu oft geredet und im Grunde am Kern der Sache vorbeigeredet hatte.
    »Wo würdest du denn hingehen?« fragte er. »Wohin würdest du gehen, wenn die Rundfunkstationen plötzlich nicht mehr senden? Wenn es niemanden mehr gibt, der dir sagt, wohin du gehen kannst?«
    »Also«, sagte ich, »ich würde wahrscheinlich nach Süden gehen, wo das Klima besser ist. Ich würde versuchen, mich bis zur Küste von Florida durchzuschlagen, wo man fischen kann, wenn es sonst keine Nahrung gibt.«
    Er deutete nach vorn, wo die Berge sich von der einen Seite der Straße auf die andere schoben und immer massiver wurden.
    »Und ich werde dorthin gehen«, sagte er. »Genau dahin, wo wir jetzt hinfahren. Da oben kann man etwas anfangen. Man kann etwas schaffen und braucht nicht auf Sand zu bauen.«
    »Was kann man denn schaffen?«
    »Wenn noch nicht alles tot ist, kann man sich ein Leben schaffen, das immer noch mit allem in Berührung ist, mit allen anderen Formen des Lebens. Wo der Wechsel der Jahreszeiten noch etwas bedeutet, wo er alles bedeutet. Wo man auf die Jagd gehen kann, wenn es nötig ist, und vielleicht ein bißchen Landwirtschaft betreibt und sich so durchschlägt. Man würde früh sterben, man würde leiden, und die Kinder würden leiden, aber man wäre mit allem in Berührung.«
    »Also, ich weiß nicht«, sagte ich. »Wenn du unbedingt wolltest, könntest du doch jetzt schon in die Berge gehen und dort leben. Unter genau den gleichen Bedingungen. Du könntest auf Jagd gehen, und du könntest Landwirtschaft betreiben. Du könntest schon jetzt genauso leiden wie nach dem Abwurf der Wasserstoffbombe. Du könntest sogar eine Art Siedlerkolonie gründen. Was glaubst du, wie Carolyn ein solches Leben gefiele?«
    »Das ist nicht dasselbe«, sagte Lewis. »Siehst du das denn nicht ein? Es wäre lediglich exzentrisch. Das Überleben hängt davon ab … also, es hängt davon ab, daß man überleben muß. Die Art Leben, von der ich spreche, hängt davon ab, daß sie die letzte Chance ist. Die allerletzte.«
    »Ich hoffe, daß du sie nicht haben wirst«, sagte ich. »Der Preis, den man dafür zu zahlen hätte, wäre sehr hoch.«
    »Kein Preis ist zu hoch«, sagte Lewis, und ich wußte, daß dieses Thema abgeschlossen war.
    »Wie sieht das Leben da oben denn heute aus?« fragte ich. »Ich meine, bevor du dich endgültig in die Berge aufmachst und das Königreich der Empfindsamen errichtest?«
    »Wahrscheinlich heute nicht viel anders, wie wenn ich dann hinkäme«, sagte er. »Ein bißchen Jagd, eine Menge Vögeln und ein bißchen Landwirtschaft. Ein bißchen Whiskeybrennen. Jede Menge Musik,

Weitere Kostenlose Bücher