Flußfahrt
Augenblick, als der Pfeil abging, glaubte, daß ich meinen linken Arm nicht mehr würde bewegen können, sowenig wie eine Statue. Ich fürchtete, in dem Augenblick, da ich erkannte, daß er wußte, wo ich war, hätte ich meine Konzentration verloren, und bis zu einem gewissen Grade war das wohl auch der Fall. Aber der Schuß war korrekt abgegangen, und falls der linke Arm den Rückstoß aufgefangen hatte, war der Mann getroffen.
Ich wußte nicht genau, was danach geschah, und ich weiß es noch heute nicht. Der Baum dröhnte, als sei er von einer Axt getroffen worden, und der Wald, der mich bisher so ruhig umfangen hatte, war plötzlich von einem unglaublichen Geräusch erfüllt.
Dann wußte ich, daß es keine Baumkrone mehr gab und keinen Bogen mehr. Ein Ast hielt mein Bein fest und versuchte es mir abzureißen, und ich fiel, mit dem Kopf voran, den Stamm hinunter, und dabei schlug und prügelte es von unten her auf mich ein wie mit hundert lebendigen Armen.
Bis zum heutigen Tag bin ich überzeugt davon, daß ich während meines Sturzes die Finger meiner rechten Hand daraufhin musterte, ob sie auch locker und gelöst waren, ob sie locker gewesen waren, als sie den Schuß abgegeben hatten. Sie waren es. Im übrigen versuchte ich, mich im Fallen umzudrehen und nicht mit dem Hinterkopf aufzuprallen, aber kaum hatte ich damit begonnen, schlug ich auch schon auf. Von hinten drang etwas in mich ein, und ich hörte ein Geräusch, wie es entsteht, wenn man ein Bettlaken zerreißt. Ein harter Gegenstand krümmte sich und zerbrach unter mir, und atemlos lag ich am Boden. Irgendwo schmerzte es. Und in diesem Augenblick löste sich wieder ein Schuß. Es gelang mir nicht, vom Boden hochzukommen, und ich kroch rückwärts, wobei ich irgend etwas hinter mir herzerrte. Das Gewehr knallte wieder, dann noch einmal. Ein Zweig der Kiefer wurde weggepeitscht, aber es war höher, als mein Kopf gewesen wäre, wenn ich gestanden hätte. Das Schießen hatte etwas Seltsames. Das vermochte ich sogar in dieser Lage festzustellen. Es gelang mir, auf die Knie zu kommen, dann auf meine Füße, und ich kroch und humpelte auf ein paar Felsen hinter dem Baum zu, die ich schließlich auch erreichte. Ich hielt mich geduckt, und wieder ging das Gewehr los. Dann hob ich vorsichtig den Kopf über den Felsen.
Er taumelte auf den Baum zu, war aber immer noch gut vier Meter davon entfernt, und versuchte, das Gewehr hochzureißen, doch es schien zu lang oder zu schwer zu sein. Dennoch schoß er wieder, aber die Kugel ging einen Meter vor seinen Füßen in den Boden. Der obere Teil seines Rumpfes war rot, und als er vornübersank, sah ich den Pfeil genau unter dem Nacken hängen. Auch die Spitze war rot gefärbt und wippte steif und elastisch. Er ging vorsichtig in die Knie. Als er den Mund öffnete, schoß das Blut heraus. Es war, als sprudele es plötzlich aus dem Boden hervor, mit der Kraft einer Quelle, die von einem Stein, der ihr im Wege ist, befreit wird. So stirb doch, dachte ich, mein Gott, stirb. Stirb.
Ich glitt seitwärts an dem Felsbrocken herunter und preßte meine Wange an den kühlen Stein. Was ist bloß los mit mir? fragte ich mich, als der Felsen sich langsam und bedächtig zu drehen begann, so als wolle er sich erheben. Ich sah an mir herunter, und da steckte ein Pfeil, der verbogene Pfeil, und der zerbrochene Bogen hing daran. Ich ließ den Kopf wieder sinken und war weg. Wo? Ruhig und bequem glitt ich in eine weite Ferne, und in meinen Gedanken sah ich undeutlich vor mir, wie ich mich abwandte und winkend im Nebel verschwand. Nichts. Noch mehr Nichts, und dann schlug ich langsam und ganz verwundert die Augen auf.
Vor mir lag ein Mann auf Händen und Knien, erbrach sein Blut in der gleichen Haltung, wie ein betrunkener Mann bei Freunden vorsichtig den Kopf über das Klosettbecken hält. Ich legte den Kopf zurück und war wieder weg. Die Härte des Felsens, gegen die mein Atem stieß, ließ mich wach werden. In der Stellung, in der ich lag, konnte ich kaum atmen. Ich hob wieder den Kopf, hob die Augen, aber kein Mann war mehr zu sehen. Ich wäre wohl für immer hier liegen geblieben, doch dieses Rätsel brachte mich wieder auf die Beine. Ich richtete mich mühsam auf und betrachtete mich. Der Pfeil hatte sich ungefähr drei Zentimeter tief durch meine rechte Seite gebohrt, durch das Fleisch, das mir das zunehmende Alter und mangelnde körperliche Bewegung aufgeladen hatten. Ich mußte den Pfeil entweder herausschneiden oder den Schaft
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