Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flusskrebse: Roman (German Edition)

Flusskrebse: Roman (German Edition)

Titel: Flusskrebse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Auer
Vom Netzwerk:
Ausnahmefällen von vernünftigen Überlegungen bestimmt? Und ist diese Frage überhaupt eine Frage für die Naturwissenschaft, oder eben doch eine für die Philosophie? Und was käme dann dabei heraus? Eine naturwissenschaftlich begründete Ethik? Nein. Die Ethik fragt, wie die Menschen handeln
sollen
. Die Naturwissenschaft könnte höchstens fragen, wie die Menschen handeln und warum sie so handeln. Aber kann die Biologie die Antworten finden?
    Und was genau ist die Frage? Was soll das überhaupt heißen: „Der Mensch ist gut“?
    *
    Förderrichtlinien für die Renaturierung und Restrukturierung früherer Krebsgewässer zum Zweck der Wiederansiedlung einheimischer Krebsarten
    (Entwurf)
    Voraussetzung für die Zuteilung von Fördermitteln ist zunächst ein Gutachten der örtlichen Fischreibehörde, welches bestätigt, dass in dem betreffenden Gewässer Vertreter ortsfremder, nicht-autochthoner Krebsarten, die als Überträger der Krebspest in Frage kommen, nicht vorhanden sind, und auch ein Einwandern solcher Krebse zuverlässig verhindert werden kann.
    Mautner betrachtete kopfschüttelnd den Text auf seinem Bildschirm. Warum musste ein amtliches Schreiben derart unpersönlich sein? Kam das bloß von dem Bestreben, den Text gegen alle ungewollten Interpretationen abzusichern? Oder ging es auch darum, die Leser einzuschüchtern? Wen wollte er einschüchtern? Er schrieb seinen Entwurf so, wie es die im Ministerium von ihm erwarteten. Oder so wie er glaubte, dass sie es von ihm erwarteten. Eigentlich eine Ungehörigkeit, dass sie ihm gleich die Ausformulierung der Richtlinien zugeschanzt hattten. Er sollte nur für die inhaltliche Ausrichtung zuständig sein. Aber andererseits konnten sie so weniger verpfuschen. Sie würden seinen Entwurf sowieso überarbeiten, das Wichtigste herausstreichen und den Rest verdrehen. Immerhin hatte er dem Ministerium zum ersten Mal ein kleines Budget für Wiederansiedlungsmaßnahmen herauslocken können. Von seinem großen Ziel, einem europaweiten Wiederansiedlungsprogramm, war er freilich weit entfernt.
    Ein Spatzentschilpen kündigte eine neu eingetroffene Email an. Vera zog ihn immer damit auf, dass Krebse stumm waren, sonst würde er alle Systemklänge seines Laptops auf den Brunftschrei des Edelkrebses umstellen. Die Mail kam von einer Kollegin im Europäischen Arbeitskreis Flusskrebse, einem Gremium, das er initiiert hatte, und betraf Vorschläge für die nächste Jahrestagung. Natürlich musste der Vortrag über die Verbreitung der Großkrebse im Freistaat Sachsen ins Programm, nachdem dort erstmals Steinkrebse nachgewiesen worden waren. Er seufzte. Vor Jahren hatte er den Steinkrebs in Kärnten nachgewiesen, damals auch eine Sensation – in Fachkreisen. Also für ungefähr 150 Leute in ganz Europa.
    Ein Bericht aus Hessen, dass dort der amerikanische Kalikokrebs im Vormarsch war, durfte auch nicht ignoriert werden. Intensive Kartierungen im Schwarzwald – klar. Das Programm für die drei Tage war schon übervoll. Er würde die Zeit für die Vorträge auf jeweils eine Stunde begrenzen müssen. Was konnte er streichen? Die Dezimierung von Jungkrebsen in Krebszuchten durch Großlibellenlarven war ihm kein besonderes Anliegen, aber die Vortragende war vom Büro für Fischbiologie Gewässerökologie in Marburg, das einen ziemlich großen Beitrag zu den Kosten der Tagung leistete. Was gab es aus Österreich zu berichten? Einen Krebswanderweg in Kärnten konnte er präsentieren. Dass es endlich Förderungen für die Renaturierung von ehemaligen Krebsgewässern geben sollte, war zwar eine Frohbotschaft, die Applaus ernten würde, aber fünf Minuten reichten für die Mitteilung vollkommen aus. Franke aus Marburg würde natürlich einen zweistündigen Vortrag daraus machen, aber Mautner war für so etwas zu sehr gehemmt. Ein vernünftiges Busunternehmen für die Exkursion musste er auch noch finden. Er wechselte ins Internet zur Suchmaschinenseite. Konnten diese Busfirmen ihre Preise nicht nach einem einheitlichen Schema gestalten? Die Rechnerei war öde.
     
    Er gab ein:
Der Mensch ist gut
, und landete in einem Diskussionsforum
.
    Agression ist Teil des Mensch-Seins. Ich kann mir auch in tausenden von Jahren keinen höher entwickelten Menschen vorstellen der keine Agressionen hat.
    Das GRUNDLEGENDE der menschlichen Natur ist die (zumindest subjektiv so empfundene) ENTSCHEIDUNGSFREIHEIT!
    Denn merke: alles ist ja relativ! Deine Behauptung beruht auf einem wertenegierenden,

Weitere Kostenlose Bücher