Flusskrebse: Roman (German Edition)
entstanden. Vielleicht in den warmen, seichten Küstengewässern der jungen Erde oder in der Nähe von Vulkanen unter dem Meer. Es waren entweder gewaltige Blitzentladungen oder die chemischen Vorgänge in der Nähe der Vulkane, die die Energie geliefert haben für immer neue chemische Umwandlungen von Elementen und Verbindungen, die im Wasser gelöst waren. Und unter diesen neuen Verbindungen waren einige sogenannte Katalysatoren. Ein Katalysator ist ein Molekül, das chemische Verbindungen beeinflusst. Stellen Sie sich etwas vor wie den Bart eines Sicherheitsschlüssels, der aus verschieden starken, unterschiedlich geformten Magneten besteht. Nur ganz bestimmte Moleküle können sich an die verschiedenen Stellen dieses Schlüssels anlagern. Und wenn alle freien Stellen des Schlüssels besetzt sind, dann schnappen die Teile ein und werden verbunden und lösen sich als neues Molekül ab. So ein Katalysator erzeugt immer wieder dieselben Moleküle. Und jetzt stellen sie sich Katalysatoren vor, die andere Katalysatoren erzeugen, die wieder andere Katalysatoren erzeugen, die dann wieder Katalysatoren erzeugen, die dem ersten Katalysator gleichen. Dann haben wir eine Abfolge von Molekülen, die sich immer wiederholt. Wenn es erst einmal solche Replikatoren, solche Vervielfältiger gibt, dann müssen sie klarerweise immer mehr werden und andere Katalysatoren verdrängen. Freilich, diese Replikatoren funktionieren nicht hundertprozentig genau. Sie werden immer wieder durch Strahlungen oder durch chemische Reaktionen beschädigt. Meistens funktioniert dann die Vervielfältigung überhaupt nicht mehr. Aber gelegentlich führt so eine Störung zu einer Veränderung, die bessere, schnellere Replikatoren hervorbringt. Am schnellsten vermehren sich solche Replikatoren, denen es am besten gelingt, energiereiche Moleküle in ihrer Umgebung aufzubrechen und in den eigenen Kreislauf einzubauen.
So sind Replikatorsysteme entstanden, die sich um ein langes Kettenmolekül herum organisierten. Möglicherweise waren die ersten solchen Kettenmoleküle nicht DNA- sondern RNA-Moleküle, aber das spielt für uns jetzt keine Rolle. Ein solches DNA-Molekül ist kein Katalysator, es ist selber nicht aktiv. Es braucht Enzyme, die es vermehren. Enzyme sind Katalysatoren, die aus Eiweiß bestehen. Stellen Sie sich zwei Perlenketten aus roten, grünen, blauen und weißen Perlen vor, die nebeneinander liegen. Je zwei Perlen, die nebeneinander liegen, sind miteinander verbunden, so dass das ganze eine Art Strickleiter ergibt. Jede blaue Perle in der einen Kette ist mit einer weißen Perle in der gegenüberliegenden Kette verbunden und jede weiße mit einer blauen, jede rote mit einer grünen und jede grüne mit einer roten. Die Strickleiter ist auch noch verdreht, so dass sich eine Doppelspirale ergibt, die berühmte Doppelhelix.
Nun stellen Sie sich vor, dass ein Enzym daherkommt, das diese Strickleiter von einem Ende her auftrennt. Andere Enzyme vervollständigen die beiden Hälften wieder, und fügen an jede blau Perle seitlich eine weiße an, an jede weiße eine blaue, an jede rote eine grüne und an jede grüne eine rote. So bekommen wir zwei Kettenmoleküle, die genau dem ersten gleichen, wenn kein Fehler passiert ist.
Aber woher kommen die Enzyme? An dem Kettenmolekül gleiten andere Katalysatoren entlang, die aus dem Material der Umgebung Proteine bilden. Sie können sich vorstellen, dass die roten Perlen eine andere Form haben als die blauen und so weiter. Jede Perle verformt den Katalysator ein wenig, so dass sich seine Bindungskräfte, seine Magneten, ein wenig anders anordnen. Sitzt er gerade an einer roten und zwei blauen Perlen, bindet er ein bestimmtes Aminosäuremolekül an sich. Rutscht er dann weiter und sitzt nun an einer roten, einer grünen und einer weißen Perle, wird er etwas anders verformt und bindet eine andere Aminosäure an die erste. Und so geht es weiter. Aus zwanzig verschiedenen Aminosäuren werden tausende verschiedene Proteinmoleküle gebildet, die die unterschiedlichsten Formen haben und die unterschiedlichsten Funktionen in einem Organismus erfüllen.
Also gut, ich gebe zu, dass ich einige Zwischenschritte ausgelassen habe.
Einen Abschnitt auf der DNA-Kette, der die Vorlage für ein bestimmtes Protein, also ein bestimmtes Eiweißmolekül, bildet, nennen wir Gen. Wenn ein Gen beschädigt wird, dann können die Ribosomen, nicht das richtige Protein erzeugen, und der ganze Organismus wird geschädigt werden oder
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