Flusskrebse: Roman (German Edition)
Wissenschaftler auch hoch achtete. Doch er hat in wunderbarer Anschaulichkeit das Leben und Verhalten von verwandten Tierarten beschrieben, zum Beispiel von einzeln lebenden Wespen, die ihre Jungen alleine aufziehen und alle Arbeiten selber machen, von Wespen, bei denen die Mutter bei ihren Töchtern bleibt und ihnen bei der Aufzucht hilft, bis zu den Wespen, die in Staaten leben und wo nur die Mutter Eier legt und die Töchter ihr bei der Aufzucht helfen. In Fabres Erzählungen vom Leben der Tiere sieht man die einzelnen Entwicklungsschritte deutlich vor sich, auch wenn er selbst der Meinung war, dass alle Arten so, wie sie heute sind, schon seit Urzeiten unveränderlich bestanden haben.
Ja, wo beginnt unsere Erzählung vom Werden der Dinge? Sie beginnt schon bei der Entstehung der Materie. Ich habe gesagt, dass sie davon handelt, wie aus zufälligen Veränderungen Ordnung entsteht anstatt Chaos. Das beruht darauf, dass nicht jede zufällige Veränderung Bestand haben kann. Es gibt Veränderungen, die erhalten bleiben, und andere, die ausgeschieden werden. Ich will Ihnen das am Beispiel von Legosteinen zu erklären versuchen. Kennen Sie dieses Spielzeug? Das sind Bausteine aus Plastik, die an der Oberseite kleine Zapfen haben und an der Unterseite Hohlräume, in denen diese Zapfen stecken können. Es gibt sie in verschiedenen Farben und Größen. Stellen Sie sich vor, man tut sehr viele dieser Bausteine in eine Schachtel und schüttelt diese Schachtel sehr stark. Rein zufällig werden einige der Steine mit ihrer Oberseite an die Unterseite anderer Steine gepresst werden und aneinander hängen bleiben. Welche Steine sich verbinden werden, kann man nicht voraussagen, ob rote mit weißen oder gelbe mit blauen. Aber klar ist, dass sie nicht mit den glatten Seiten aneinander haften können. Wenn zwei Steine mit den Seiten aneinandergepresst werden, fallen sie sofort wieder auseinander, diese Verbindung ist nicht stabil, sie wird ausgeschieden. Und die Steine können sich auch nur rechtwinklig miteinander verbinden, weil die kleinen Zapfen rechtwinklig angeordnet sind. Von den vielen zufälligen Zusammenstößen werden also nur ganz bestimmte zu dauerhaften Verbindungen führen. Das hängt von den inneren Eigenschaften der Steine ab und auch von den äußeren Bedingungen, also wie groß die Schachtel ist, wie stark sie geschüttelt wird und so weiter. Wenn das Schütteln zu schwach ist, werden überhaupt keine Steine aneinander haften, wenn es zu stark ist, werden viele Steine zerstört werden.
Und so ist eben auch in den Teilchen, die die Materie bilden, in den Quarks, den Elektronen, Protonen und so weiter, schon angelegt, welche Verbindungen bestehen bleiben können und welche nicht.
Wenn ein Stern in sich zusammenfällt und dann explodiert, werden Elementarteilchen in sehr großer Hitze durcheinandergewirbelt. Wo welches Proton mit welchem Elektron zusammenstößt, das ist rein zufällig. Aber nicht aus jeder Kombination von Elektronen, Protonen und Neutronen kann ein stabiles Atom werden. Es sind nur ganz bestimmte Zahlenverhältnisse möglich, und sie werden bestimmt durch Ladung, Gravitation, starke und schwache Kernkraft. Es gibt nur 109 stabile oder wenigstens zeitweilig stabile Elemente. Also von all den möglichen zufälligen Kombinationen von Protonen, Neutronen und Elektronen bleiben nur 109 bestehen.
Sie wissen vielleicht, dass sich die Elektronen um den Atomkern in Schalen anordnen. Auf der innersten Schale haben zwei Elektronen Platz, auf allen anderen acht. Wenn die äußerste Schale nicht gefüllt ist, dann kann sich das Atom mit einem anderen verbinden, mit dem es sich die Außenelektronen teilen kann, so dass es zusammen acht sind. Natrium zum Beispiel hat 1 freies Elektron, Chlor hat 7. So verbinden sich die beiden zu einem Kochsalzmolekül.
Es gibt noch andere Möglichkeiten der Verbindung, aber Sie sehen: Nicht alle Atome, die zufällig aneinandergeraten, können sich zu Molekülen verbinden. Es gibt zwar unglaublich viele Kombinationsmöglichkeiten, aber sie sind nicht chaotisch.“
Mautner blickte sich um. Juvénal sah ihn mit erwartungsvoll geöffneten Augen an. Frau Saberi, die Arme über der Brust verschränkt, blickte starr durch ihre dicke Brille. Patrice stocherte stirnrunzelnd in seinen Nudeln. Frau Zhao kaute bedächtig und schaute ihm freundlich ins Gesicht.
Mautner holte Luft. „Wir wissen noch nicht, wo das Leben auf der Erde entstanden ist. Es ist auf jeden Fall im Wasser
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