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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dennoch geziert, mit der Bahn zu fahren, und eine ganze Weile hartnäckig darauf bestanden, einen Wagen zu nehmen (was zweifellos nichts anderes bedeutete, als ihn zu stehlen, wie Rachel annahm), und alle möglichen Argumente ins Feld geführt, die gegen dieses antiquierte, hoffnungslos veraltete und seiner Meinung nach viel zu langsame Beförderungsmittel sprachen, aber Rachel war stur geblieben.
    Wie sich zeigte, vollkommen zu Recht. Die Bahn war alt, hoffnungslos überfüllt und tatsächlich so langsam, wie Benedikt behauptet hatte; aber mit dem Wagen hätten sie es wahrscheinlich nicht einmal geschafft, Rom zu verlassen.
    Der Verkehr auf der Autobahn war praktisch zum Erliegen gekommen. Nachdem sie Rom hinter sich gelassen hatten, führte die Bahntrasse zum größten Teil durch hügeliges, stark bewaldetes Gebiet, das allmählich anstieg, je weiter sie nach Norden kamen, aber zuvor fuhren sie an einer schier endlosen Kolonne aus Automobilen vorbei, die sich Stoßstange an Stoßstange über die Autobahn quälten; sofern sie überhaupt von der Stelle kamen.
    Obwohl sie Fahrscheine der ersten Klasse gelöst hatten, bekamen sie während der ersten Stunde nicht einmal einen Sitzplatz; von einem eigenen Abteil gar nicht zu reden. Benedikt nahm es mit derselben stoischen Gelassenheit hin, mit der er auf nahezu alles unterhalb eines angreifenden Kampfhubschraubers oder eines wild gewordenen Königstigers, der ein Einzimmerapartment mit ihm teilte, reagierte, aber bei Rachel meldete sich vollkommen absurderweise ihr schlechtes Gewissen. Das Geld, das sie für die Karten ausgegeben hatten, war gestohlen und sie fand es irgendwie doppelt schlimm, es nun für etwas ausgegeben zu haben, wofür sie keine Gegenleistung bekamen.
    Nachdem sie Rom passiert hatten, fuhren sie mit immer weniger Zwischenstopps nach Norden und allmählich wurde es ein wenig besser. Der Zug war noch immer überfüllt, aber es stiegen nun immerhin mehr Leute aus als ein, und nach einer weiteren Stunde herrschte zumindest auf den Gängen nicht mehr ein solches Chaos, dass sie nicht einmal eine Chance hatten, auch nur in den Wagen zu kommen, in dem sich ihre reservierten Sitzplätze befanden. Benedikt vollbrachte sogar ein kleines Wunder, indem er irgendwo einen Schaffner auftrieb und so lange mit ihren Fahrkarten in der Luft herumfuchtelte, bis er sie zu dem entsprechenden Abteil begleitete und wenigstens versuchte ihre – selbstverständlich okkupierten – Plätze für sie frei zu machen. Das Ergebnis waren ein Geschrei wie bei der Schlacht von Anzio und eine Stimmung, die plötzlich gar nicht mehr mediterran fröhlich, sondern eindeutig gewaltbereit war; und nach kaum einer Minute winkte Benedikt den Schaffner zurück. Der Mann verließ rasch und ohne ein weiteres Wort das fragliche Abteil und knallte die Tür hinter sich zu. Die Feindseligkeit in seinem Blick galt nicht seinen Landsleuten, mit denen er sich gerade gezwungenermaßen herumgestritten hatte, sondern den beiden deutschen Passagieren.
    »Schon gut«, sagte Benedikt. »Wir gehen in den Speisewagen.«
    Rachel hatte nichts dagegen einzuwenden. Das Abteil, vor dem sie standen, bot Platz für acht Personen, war aber von zehn besetzt und es wäre vermutlich nicht besonders geschickt, nach dem Zwischenfall von gerade dort hineinzugehen. Manchmal hatte es durchaus Nachteile, im Recht zu sein. Sie bezweifelte, dass sie im Speisewagen einen Sitzplatz bekommen würden, aber letztendlich war es gleich, wo sie herumstanden – solange es nicht hier war. Der Zug kam deutlich langsamer voran als gewohnt, aber es konnte trotzdem kaum noch länger als eine Stunde dauern, bis sie Norcia erreichten.
    Sie hatte Recht – der Speisewagen war nicht ganz so überfüllt wie der Rest des Zuges, aber es gab auch hier keine Sitzplätze; jedenfalls so lange nicht, bis Benedikt einen weiteren Teil ihrer verbliebenen Barschaft investierte, um einen Kellner zu bestechen. Der Ausdruck in den Augen des Mannes war pure Verachtung – was ihn allerdings nicht daran hinderte, das Geld zu nehmen und sie an den nächsten frei werdenden Tisch zu begleiten.
    »Manchmal hat der Kapitalismus auch Vorteile«, sagte Benedikt mit einem schwachen Grinsen, während sie Platz nahmen.
    »Solange man mit gestohlenem Geld bezahlen kann, meinst du?«
    Benedikt grinste weiter, aber sie spürte, dass sie ihn getroffen hatte – was gar nicht ihre Absicht gewesen war. Sie hatte immer noch dieses absurd schlechte Gewissen.
    »Wenn es dich

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