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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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obwohl sie noch ein gutes Stück von ihrem Ziel entfernt waren. Rachel schätzte, dass sie auf halber Strecke zum Stehen kommen würden, wenn er nicht wenigstens wieder ein bisschen Gas gab, und schon dieser Gedanke reichte, um wieder ein wenig Sorge in ihr wachzurufen. Sie hätte doch nicht in diesen Wagen steigen sollen! Wäre sie zu Fuß losmarschiert, hätte sie jetzt schon die Ampel erreicht.
    »Ich meine das Haus hinten an der Ecke«, sagte sie, wobei sie das sichere Gefühl hatte, dass diese Worte vollkommen überflüssig waren. »Nicht das hier vorne.«
    Der junge Mann hinter dem Steuer drehte den Kopf und sah sie eine geschlagene Sekunde lang auf eine Weise an, die aus dem leisen Unwohlsein in Rachel ein eindeutig mulmiges Gefühl werden ließ, und zwang sich dann wieder zu einem ebenso nervösen, nicht überzeugend wirkenden Lächeln. »Ich weiß«, sagte er.
    Woher? Rachel sprach die Frage nicht laut aus, aber sie erschien wie mit roter Leuchtschrift vor ihrem geistigen Auge, und etwas von ihren wahren Empfindungen musste sich wohl auf ihrem Gesicht abzeichnen, denn auch ihr Gegenüber fuhr ganz leicht erschrocken zusammen und sah plötzlich ein bisschen schuldbewusst aus.
    »Sie haben es mir gezeigt, oder?« Das klang zu sehr nach einer Entschuldigung. Ein Vorwand, den er sich zurechtgelegt hatte.
    Rachel fragte sich zum ersten Mal ernsthaft, ob sie vielleicht Grund haben könnte, Angst zu bekommen. Nein, entschied sie. Jedenfalls jetzt noch nicht. Und auch nicht für den Rest des Weges, wie sich zeigte.
    Der Wagen wurde langsamer, begann tatsächlich auszurollen, aber dann legte der Fahrer den Gang wieder ein und gab Gas und wenige Augenblicke später quietschten die nassen Reifen am Bürgersteig des kleinen Backsteinhauses, in dem sie wohnte. Rachel schüttelte hastig den Kopf, als er die Tür öffnen wollte, um vermutlich um den Wagen herumzueilen und ihr beim Aussteigen zu helfen, angelte ungeschickt nach dem Koffer vor ihren Knien und öffnete mit der anderen Hand bereits die Tür.
    Natürlich ließ sich der junge Mann nicht davon abhalten, weiter den Kavalier zu spielen und sich damit nicht nur endgültig lächerlich zu machen, sondern vermutlich auch noch eine Erkältung einzuhandeln, aber Rachel war bereits aus dem Wagen und mit dem Koffer in der Hand auf halber Strecke zur Tür, bevor er sie eingeholt hatte. Sie wechselte den Koffer von der rechten in die linke, griff mit der frei gewordenen Hand in die Manteltasche und fand zu ihrer Erleichterung auf Anhieb den Schlüsselbund. Noch bevor hinter ihr auf der kurzen Treppe Schritte laut wurden, hatte sie den Schlüssel ins Schloss geschoben, drehte ihn zweimal herum und öffnete die Tür.
    Abgestanden riechende, aber sehr warme Luft schlug ihr entgegen. Sie machte einen Schritt ins Haus, setzte den Koffer ab und drehte sich in der gleichen Bewegung herum. Ihre rechte Hand rutschte auf die innere Türklinke und drückte sie herunter, und ihr aufdringlicher Helfer hätte schon blind sein müssen, um diese Körpersprache nicht richtig zu deuten. Er blieb auch prompt stehen und sah ein bisschen enttäuscht aus und so unschlüssig, dass er ihr fast Leid tat. Aber nur fast.
    Rachel zwang sich zu einem, wie sie hoffte, halbwegs überzeugenden dankbaren Lächeln und sagte: »Vielen Dank. Sie haben mir das Leben gerettet. Aber jetzt will ich Sie nicht weiter aufhalten.«
    Natürlich ließ er sich davon nicht abschrecken. Rachel wäre überrascht gewesen, hätte er es getan. Er stand einfach im strömenden Regen da, trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen und sah aus wie ein Sextaner, der all seinen Mut zusammengerafft hatte, um seiner Mathematiklehrerin zu erklären, dass er sich unsterblich in sie verliebt hatte, nun aber die so sorgsam vor dem Spiegel geübten Worte einfach nicht mehr fand. »Ich …«, begann er.
    »Wie gesagt«, unterbrach ihn Rachel, »vielen Dank noch einmal.« Damit trat sie einen halben Schritt zurück, schloss die Tür und legte fast mit der gleichen Bewegung die Kette vor. Seltsamerweise empfand sie dabei wieder einen Anflug von schlechtem Gewissen. Das typische Klirren musste draußen deutlich zu hören sein und mit Sicherheit wusste er auch, was dieses Geräusch bedeutete. Jetzt hatte sie ihm seine Hilfe doch mit Undankbarkeit belohnt.
    Rachel verscheuchte den Gedanken, hob die Schultern und schlüpfte aus ihrem durchnässten Mantel, während sie mit langsamen Schritten durch die Diele und in das kleine, abgedunkelte

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