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Flut: Roman (German Edition)

Flut: Roman (German Edition)

Titel: Flut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erwartete.
    Rachel verscheuchte auch diesen Gedanken; diesmal zornig auf sich selbst, weil sie es nicht schaffte, sich wenigstens für einen Moment von dieser Vorstellung zu lösen, die wie ein glühender Widerhaken in ihrem Fleisch saß. Sie drehte mit einem Ruck den Kopf nach rechts und sah nach draußen, aber was sie dort erblickte, war auch nicht unbedingt erfreulicher.
    Der Bus hatte den Flughafen mittlerweile durchquert und näherte sich einem großen, zweiflügeligen Maschendrahttor, das weit offen stand und von zwei schweren Limousinen mit abgedunkelten Scheiben flankiert wurde. Einer der Wagen setzte sich in Bewegung, als sie das Tor fast erreicht hatten, der andere schloss sich ihnen an, nachdem sie es passiert hatten und sich der Hauptstraße näherten, die vielleicht einen Kilometer entfernt war. Die wenigen Häuser, die die Straße an dieser Stelle flankierten, lagen ausnahmslos im Dunkeln. Rachel vermutete, dass der Strom ausgefallen war; vielleicht hatte De Ville in seiner berufsmäßigen Paranoia auch alle Häuser in einem gewissen Umkreis um den Flughafen evakuieren lassen.
    Der Bus fuhr langsamer, als ihr notwendig erschien, umso mehr, als ihre Zeit doch angeblich so knapp war. Mit kaum dreißig oder fünfunddreißig Stundenkilometern näherten sie sich der Hauptstraße und hielten an, obwohl keinerlei Verkehr herrschte. Erst als der vorausfahrende Mercedes nach rechts abgebogen und gute hundert Meter weit gefahren war, nickte De Ville dem Fahrer fast unmerklich zu und auch der Bus setzte sich wieder in Bewegung. Diese Vorsichtsmaßnahmen mochten irgendeinen Grund haben, aber sie waren nicht unbedingt dazu angetan, Rachels Nervosität zu mildern.
    »Was ist das hier?«, fragte sie.
    »Die Via Appia«, antwortete Uschi. »Ich bin schon ein paar Mal hier gewesen. Aber damals sah es anders aus.«
    Die letzte Bemerkung hätte sie sich Rachels Meinung nach getrost sparen können. Sie spürte auch, dass Uschi auf irgendeine Reaktion von ihr wartete, vermied es aber trotzdem ganz bewusst, auch nur in ihre Richtung zu sehen. Stattdessen drehte sie sich beinahe demonstrativ ein wenig im Sitz herum, um nach draußen zu blicken. Nicht, dass es dort viel zu sehen gegeben hätte. Die Via Appia, die alte römische Prachtstraße, lag in ebensolche Dunkelheit gehüllt da wie der schmale Zufahrtsweg zum Flughafen. Dennoch war es nicht völlig finster: Auch wenn das grobe Kopfsteinpflaster und das starke Gefälle der Straße das Wasser längst hatten abfließen lassen, sodass sie nicht zu einem großen, spiegelnden See geworden war wie das Rollfeld vorhin, reichte das bleiche Licht des näher kommenden Sternes doch mehr als aus, um die Umgebung zu erhellen. Aber es war ein unheimliches, falsches Licht, das alle Farben ausgelöscht hatte und irgendwie auch das Leben verscheucht zu haben schien. Alles wirkte grau und wie mit einer feinen, trockenen Staubschicht überzogen. Die sonderbare Helligkeit machte es ihr fast schwer zu atmen. Selbst den starken Scheinwerfern des vorausfahrenden Wagens gelang es nicht völlig, dieses trübe Zwielicht zu vertreiben. Der asymmetrische Strahl aus blaustichiger Helligkeit reichte nicht annähernd so weit, wie er sollte, und wurde kaum fünfzehn oder zwanzig Meter vor dem Wagen von dem fahlen Grau einfach aufgesogen.
    Sie fuhren gut zehn oder fünfzehn Minuten lang in fast völligem Schweigen dahin. Wenn Rachel sich konzentrierte, konnte sie hören, wie Frank auf der Rückbank halblaut mit Tanja sprach, ohne dass sie die Worte verstehen konnte oder wollte, und dann und wann hob De Ville ein kleines Walkie-Talkie vor die Lippen und sprach einige knappe Worte hinein. Ansonsten aber sprach im Bus niemand. Jeder saß in seine Gedanken versunken da und vermutlich gab es niemanden, dessen Überlegungen wesentlich positiver waren als die Rachels.
    Sie waren nicht völlig allein auf der Straße. Dann und wann kam ihnen ein Wagen entgegen, einmal auch ein kleiner Trupp Motorräder, die einen engen Pulk bildeten und viel langsamer fuhren, als es notwendig gewesen wäre, und zwei oder drei Mal raste ein Helikopter im Tiefflug über sie hinweg. Obwohl sie langsam fuhren, überholte sie kein einziger Wagen, was Rachel immer sonderbarer vorkam. Auch wenn die Menschen hier im Bus vielleicht die Einzigen waren, die wussten, was wirklich vorging, so hatten die Bilder, die sie im Fernsehen gesehen hatten, doch keinen Zweifel daran gelassen, dass auch außerhalb dieses kleinen Kreises Eingeweihter so

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