Flut: Roman (German Edition)
es viel zu leicht. Ich schätze, wir lassen Sie einfach hier und sehen, was von Ihnen übrig ist, wenn wir zurückkommen.«
Darkov seufzte. »Glauben Sie wirklich, jetzt ist der Moment für so etwas?«
»Wenn nicht jetzt, wann dann?« Uschi ließ den Gewehrlauf mit einem Ruck sinken und drehte sich dann langsam einmal um ihre Achse, so, als müsse sie sich das Zimmer und seine Einrichtung und vor allem die Position jedes Einzelnen darin aus irgendeinem Grund noch einmal ganz genau einprägen, dann trat sie auf Johannes Petrus zu und wartete, bis sie seine Aufmerksamkeit erregt hatte und er zu ihr hochsah.
»Dieser Bunker«, fragte sie, »wie vielen Personen bietet er Schutz?«
Es dauerte sehr lange, bis Petrus antwortete, und er tat es mit schleppender und fast ausdrucksloser Stimme und ohne Uschi dabei anzusehen. »Er ist groß genug«, sagte er. »Machen Sie sich keine Sorgen.« Wieder schwieg er einige Sekunden, dann erschien etwas wie ein Lächeln auf seinen Lippen. Langsam hob er die Hände und zog einen schweren Siegelring vom Mittelfinger der Linken, den er Uschi hinhielt. »Nehmen Sie ihn«, sagte er auffordernd.
Uschi blickte den Ring nur verständnislos an. »Was soll ich damit?«
»Wenn Sie diesen Ring der Wache am Eingang zeigen, wird man Sie passieren lassen und in den Sicherheitsbereich bringen«, antwortete Torben.
»Und warum tun Sie das nicht selbst?«, fragte Uschi.
»Weil er nicht vorhat, uns zu begleiten«, sagte Darkov. »Habe ich Recht?«
Torben sah ihn nur traurig an, aber Rachel fragte alarmiert: »Was soll das heißen?«
»Ich bleibe hier«, sagte Torben ruhig. »Es ist so, wie Darkov sagt. Ich werde nicht mit Ihnen kommen, sondern hier warten.«
»Warten? Worauf?« Uschi machte eine zornige Bewegung mit dem Gewehr, fast als wolle sie den Papst damit bedrohen. »Sind Sie verrückt geworden? Sie wissen doch, was in einer Stunde oder so hier passieren wird!«
Wieder war es Darkov, der anstelle Torbens antwortete: »Er wartet auf den Tod, haben Sie das immer noch nicht begriffen?« Er lachte. »Der Kapitän geht immer mit seinem Schiff unter. Wenigstens war das früher so üblich. Und Bruder Torben ist ein sehr altmodischer Mann.«
Uschi fuhr mit einer wütenden Bewegung zu ihm herum. »Wenn Sie noch ein einziges Wort sagen, schlage ich Ihnen die Zähne ein!«, zischte sie. »Geben Sie mir einen Vorwand!«
Darkov lächelte, aber er schien auch zu spüren, dass Uschis Worte keine leere Drohung waren, denn er beließ es bei diesem Lächeln und gab ihr keinen Grund, sie wahr zu machen. Uschi funkelte ihn noch eine Sekunde lang drohend an und drehte sich dann wieder zu Johannes Petrus herum.
»Sie wollen also sterben?«, fragte sie. »Ich kann mich irren, aber ist Selbstmord nicht eine Sünde, für die man in die Hölle kommt, oder so was?«
»Ich habe nicht vor, meinem Leben selbst ein Ende zu setzen«, antwortete Torben. »Ich lege mein Schicksal in Gottes Hand. Vielleicht erbarmt er sich meiner Seele.«
»Weil Sie glauben, dass er sich von Ihnen abgewandt hat«, vermutete Rachel. »Aber das hat er doch gar nicht.«
»Was soll das jetzt schon wieder?«, fragte Uschi. Sie klang gereizt.
»Er glaubt, Gott habe ihn verstoßen«, antwortete Rachel. Sie deutete auf Torbens nackte Füße und erklärte Uschi mit wenigen Worten, was geschehen war.
»Und jetzt glaubt er, das Ende der Kirche sei gekommen, weil der Papst auf nackten Füßen Rom verlässt – und das in südlicher Richtung«, sagte Uschi kopfschüttelnd. »Genau wie Nostradamus es vorhergesagt hat.«
»Du weißt von dieser Prophezeiung?«, fragte Rachel überrascht.
»Selbstverständlich«, antwortete Uschi. »Ich kenne seine Bücher praktisch auswendig. Ein hanebüchener Blödsinn, aber ungemein interessant zu lesen. Der Kerl hat sich alles Mögliche zusammengereimt.«
»Bisher ist eine Menge von diesem Unsinn eingetroffen«, sagte Darkov.
»Nun ja, wenn man sich einige zehntausend Seiten zusammenprophezeit, dann müssen ein paar davon schon aus rein statistischen Gründen eintreffen«, erwiderte Uschi unwirsch. »Er hat auch gesagt, dass am Anfang des neuen Jahrtausends ein neuer Messias geboren werde.«
»Und der Antichrist«, sagte Torben leise.
»Sollte dieser Herr hier auftauchen, dann sind wir darauf vorbereitet.« Uschi schlug fast liebevoll mit der flachen Hand auf den Gewehrkolben und deutete anschließend auf den Ring, den Torben ihr immer noch hinhielt. »Und jetzt stecken Sie das Ding wieder ein. Sie
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