Flut: Roman (German Edition)
Indiskretion?«
Naubach nickte. »Die geschätzten Kollegen von der Presse vermuten Sie jetzt auf dem Weg zum Bahnhof. Ich fürchte nur, allzu lange werden sie nicht auf den Trick hereinfallen. Aber wenn wir uns beeilen, reicht die Zeit.«
Dennoch fuhren sie nicht sofort los. Naubach wartete, bis als Letzter auch der Ü-Wagen vorbeigefahren war, erst dann wendete er den Mercedes und fuhr im Schritttempo zurück. Die Straße vor ihrem Haus war nicht ganz so leer, wie sie es sich gewünscht hätte; mindestens zwei Journalisten waren nicht auf Naubachs Täuschungsmanöver hereingefallen und stürmten sofort und mit erhobenen Kameras und Kassettenrekordern in ihre Richtung. Sie kamen dem Wagen allerdings nicht einmal nahe. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich neben jedem der Reporter zwei Polizeibeamte auf und drängten die Männer mit schon etwas mehr als nur sanfter Gewalt zurück.
»Sie halten wirklich nicht viel von Pressefreiheit, wie?«, fragte Rachel.
»Wäre es Ihnen lieber, ich würde die beiden Herren da auf Sie loslassen?«, erkundigte sich Naubach. Er schüttelte den Kopf. »Außerdem ist es nur eine Personenkontrolle, auch wenn ich befürchte, dass sie überaus gründlich ausfallen und auch eine ganze Weile dauern wird. Unter den gegebenen Umständen habe ich nicht nur das Recht dazu, ich muss es sogar, oder sind Sie ganz sicher, dass nicht einer der beiden eine Pistole in der Manteltasche hat?«
Nein, verdammt, das war sie selbstverständlich nicht. Und worüber beschwerte sie sich eigentlich? Sie sollte Naubach dankbar sein. Nach der Geschichte mit Pater Adrianus war sie der Presse wirklich nichts mehr schuldig, schon gar keinen guten Willen. Sie schwieg.
Naubach parkte den Wagen so dicht vor dem Eingang, dass sie nur zwei Schritte weit durch den Regen eilen mussten, um hineinzukommen. Als sie die Tür öffnete, erstarrte sie.
Die Wohnung war verwüstet. Der Flur und der kleine Teil des Wohnzimmers, den sie vom Eingang aus überblicken konnte, waren ein reines Chaos. Schranktüren standen offen, Schubladen waren herausgerissen und offenbar kurzerhand herumgedreht worden, damit man ihren Inhalt besser durchwühlen konnte; jemand hatte selbst die Polster von der Couchgarnitur genommen und die Reißverschlüsse aufgezogen, um ihr Inneres zu durchsuchen. Bilder hingen schief an den Wänden. Rachel machte zwei Schritte in den Raum hinein und blieb schockiert wieder stehen. Die Verwüstung setzte sich auch in dem Teil des Zimmers fort, den sie bisher nicht hatte erkennen können. Sämtliche Schubladen des Schreibtischs standen nicht nur offen, sondern waren leer, ihr Inhalt auf dem Fußboden verteilt. Ihre komplette CD-Sammlung lag auf dem Teppich und jemand hatte sich tatsächlich die Mühe gemacht, aus mehr als zweihundert Hüllen nicht nur die silberfarbenen Scheiben, sondern auch die Inlays herauszunehmen und über einen ansehnlichen Teil des Teppichbodens zu verstreuen.
»Oh!« Naubach war hinter ihr hereingekommen und riss überrascht die Augen auf. »Das hätte ich nicht erwartet.«
»Was hätten Sie denn erwartet?« Rachel drehte sich zu ihm herum und funkelte ihn an.
Naubach sah einen kurzen Moment lang ziemlich hilflos aus, aber er antwortete nicht, sondern drehte sich plötzlich auf dem Absatz herum und stürmte wieder aus dem Haus. Rachel hörte ihn draußen herumbrüllen, dann kam er zurück.
»Und?«
»De Ville«, grollte er.
»De Ville hat diese Unordnung hinterlassen?«
»Nein, verdammt!«, schnappte Naubach. »Aber er hat eine Hausdurchsuchung angeordnet. Das hier waren seine Leute!« Er machte eine unsicher flatternde Geste in keine bestimmte Richtung. »Hören Sie: Das hier, das tut mir wirklich Leid. Ich entschuldige mich dafür und ich verspreche Ihnen, dass alles wieder in Ordnung gebracht wird.«
»Eine Hausdurchsuchung?« Rachel überhörte Naubachs Entschuldigung ganz bewusst. »Bei mir? Aber warum denn? Ich habe doch nichts getan. Was zum Teufel gibt ihm das Recht dazu?«
Naubach hob unglücklich die Schultern. »Packen Sie ein paar Sachen zusammen und wir fahren zurück und fragen ihn.«
»Worauf Sie sich verlassen können!« Rachel fuhr auf dem Absatz herum und stapfte in Richtung Treppe, blieb aber nach ein paar Sekunden noch einmal stehen. »Habe ich noch Zeit für eine Dusche?«
Der Kommissar hatte bereits sein Handy aus der Tasche gezogen und war dabei, eine Nummer einzutippen. Er hielt inne, sah sie eine Sekunde lang nachdenklich an, dann schüttelte er den
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