Flut: Roman (German Edition)
Helikopters zu lösen und sich zu De Ville herumzudrehen, sah er fast ein bisschen verlegen aus. »Wieder eine von Ihren … Ahnungen, nehme ich an.«
Sie hatte bis zu diesem Moment nicht einmal gewusst, dass er davon wusste, aber es gelang ihr, sich ihre Überraschung nicht zu deutlich anmerken zu lassen. Sie beließ es bei einer Mischung aus einem Achselzucken und einem angedeuteten Nicken und ganz selbstverständlich rechnete sie damit, dass er ihre Antwort mit einem herablassenden Lächeln oder bestenfalls mit einem Achselzucken oder einer entsprechenden Bemerkung abtun würde, aber er reagierte vollkommen anders.
Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht wirklich, aber das spöttische Funkeln in seinen Augen verschwand wie weggeblasen und machte einem Ausdruck Platz, den sie für Sorge gehalten hätte, wäre ihr dieser Gedanke nicht einfach absurd erschienen. So wenig sie De Ville kannte, war sie doch sicher, dass Ahnungen so ziemlich das Letzte waren, worauf er etwas gab.
»Warum erzählen Sie mir nicht davon?«, fragte De Ville.
»Wovon?«
»Von Ihren Ahnungen.«
»Da gibt es nichts zu erzählen«, antwortete Rachel. »Ich habe …« Sie zögerte einen Moment und setzte dann mit einem Schulterzucken und leicht veränderter Stimme neu an. »Vielleicht war das alles einfach zu viel.«
Danach hatte De Ville weder gefragt noch hatte er es gemeint, aber er gab sich zumindest für den Moment mit dieser Antwort zufrieden. Umständlich beugte er sich über sie, öffnete die Tür und ließ sich ächzend wieder zurücksinken, während Rachel widerstrebend die Beine aus dem Wagen schwang und ausstieg. Ganz instinktiv zog sie den Kopf zwischen die Schultern, aber diesmal schlug ihr der Regen ausnahmsweise einmal nicht ins Gesicht. Die dicht stehenden Bäume auf der einen und der mehr als drei Meter hoch aufragende Hubschrauberkoloss auf der anderen Seite schützten sie vor dem eisigen Nieselregen. Sie entfernte sich anderthalb Schritte weit vom Wagen und blieb dann stehen, um auf De Ville zu warten.
Er brauchte eine geraume Weile und nicht nur, weil er auf der anderen Seite des Wagens ausstieg und ihn umständlich umkreisen musste. Er bewegte sich sehr langsam und ging nach vorne gebeugt – ein weiteres Indiz für seine Behauptung, nicht völlig ungeschoren davongekommen zu sein – und sie hatte das Gefühl, dass er sich beherrschen musste, um sich nicht während des Gehens am Wagen aufzustützen.
Die große Seitentür des Helikopters glitt mit einem scharrenden Geräusch auf, als sie sich der Maschine näherten. Rachels Herz begann zu klopfen. Trotz des blassen Lichtes konnte sie das Innere des Hubschraubers vollkommen einsehen; ein Anblick, der nichts anderes als durch und durch profan war: zwei gegenüberliegende Reihen einfacher Sitzbänke, die mit dunkelgrünem Plastik bezogen waren und deutliche Spuren von Abnutzung zeigten, wie überhaupt die gesamte Maschine. Nichts daran war in irgendeiner Weise bedrohlich oder auch nur sonderbar. Und trotzdem: Sie durfte nicht einsteigen. Nichts würde mehr so sein wie zuvor, wenn sie es tat. Vielleicht erwartete sie kein großes Unglück, keine Gefahr, aber es war der Wendepunkt; die Gabelung, an der sie sich für einen von mehreren Wegen entscheiden musste.
De Ville stoppte neben ihr im Schritt – gerade lange genug, damit es ihr auffiel – und ging dann etwas schneller weiter. Auf die gleiche umständliche Art, auf die er den Wagen umkreist hatte, stieg er in den Helikopter und drehte sich herum, um ihr die Hand entgegenzustrecken. Rachel empfand die Geste als beinahe rührend, denn es war nicht zu übersehen, dass er kaum die Kraft gehabt hatte, selbst einzusteigen. »Kommen Sie, meine Liebe«, sagte er. »Keine Angst. Die Maschine ist nicht mehr ganz neu, aber sehr zuverlässig. Genau wie ich.«
Rachel ignorierte den schalen Scherz genauso wie seine vorausgegangenen Versuche, sie aufzumuntern, aber sie gab sich auch einen Ruck, griff nach De Villes ausgestreckter Hand und tat so, als ob sie sich von ihm in den Hubschrauber helfen ließ.
De Ville hievte sie in die Maschine und ließ sich aus der gleichen Bewegung heraus kurzerhand erschöpft auf die unbequem aussehende Sitzbank fallen, während Rachel einen Moment lang – nicht wirklich mit angehaltenem Atem, aber nahe dran – reglos stehen blieb und darauf wartete, dass der lautlosen Warnung hinter ihrer Stirn die Realität folgte.
Die Maschine explodierte nicht. Die Erde tat sich nicht auf, um sie zu
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