Flut
tiefen Seufzer aus. Er stellt die Gegenstände zurück auf den Küchentresen, hockt sich vor sie und hält ihre rauen, schmutzigen Hände. Sie erzählt ihm, dass sie gestern Abend ihren Nachbarn gebeten habe, ihr zu helfen, die kleine Treppe zu entfernen. Der Nachbar stellte fest, dass der Zementblock locker war, bearbeitete ihn mit einem Vorschlaghammer und legte ein Seil drum, band es an seinem Pick-up fest und gab Gas, bis die Treppe draußen war. Da sie heute frei hatte, lieh sie sich bei besagtem Nachbarn Werkzeug und machte sich an die Arbeit. Nachdem sie den ganzen Tag gegraben hatte, ihre Arme weich waren und sie Blasen an den Händen und Schmerzen am ganzen Körper hatte, stieß sie plötzlich mit der Schaufel auf etwas Merkwürdiges. Die Gegenstände waren in Lumpen eingewickelt, und als sie sie in die Wohnung trug, bekam sie einen Weinkrampf.
Das ist ja unglaublich. Genau an der Stelle, von der du geträumt hast, oder?
Ja, sagt sie völlig aufgelöst. Tränen schlängeln sich über ihre Wangen wie Tropfen an einer Fensterscheibe. Sie reibt sich mit den Händen übers Gesicht und verteilt dabei den Lehm auf der Haut, wie frische Farbe auf einem Schlachtengemälde. Scheiße. Was hab ich bloß für eine Scheiße gebaut. Was mach ich jetzt?
Die Sachen sind sicher einen Haufen Geld wert. Ich glaube zwar nicht, dass der Kelch aus Gold ist, aber falls doch …
Scheiße, kapierst du es nicht? Ich habe am Samstag nochmal geträumt!
Jetzt versteht er und sieht sie schweigend an.
Nachdem du und deine Mutter gegangen seid, wollte ich mir eine Serie ansehen, die ich runtergeladen hatte, dabei schlief ich ein und wachte dann eine Stunde später mitten im Traum auf. Derselbe Traum wie die anderen Male. Zwei Priester, die vor dem Haus etwas vergraben, und eine Frau in Weiß, die ihnen zusieht. Diesmal war noch der Alte mit dem Metalldetektor dabei und ein paar andere verrückte Sachen, aber es war dieselbe Situation.
Und deshalb bist du so aufgelöst? Um Himmels willen, Jasmim. Das ist doch nur Aberglaube. Du hast das nochmal geträumt, weil du meiner Mutter davon erzählt hast und weil dich die Typen mit ihrer Graberei hier erschreckt haben. So etwas bleibt einem im Kopf hängen, und dann träumt man davon. Jetzt beruhige dich.
Es war das dritte Mal, und da war wirklich etwas vergraben. Ich hätte nie gedacht, dass …
Komm, steh auf. Lass uns mal duschen gehen, du bist dreckig wie ein Ferkel.
Ich muss die Haustür versetzen lassen. Ich sitz echt in der Scheiße.
Er zieht sie an den Armen hoch, bis sie steht.
Du bist noch ganz durcheinander. Wir überlegen uns gleich mal, was wir mit deinem Schatz machen. Das Loch vor deiner Haustür schütte ich zu. Es ist alles in Ordnung.
Schläfst du heute hier?
Er muss noch nach Hause, um die Hündin zu füttern, aber er weiß, dass dieser Augenblick entscheidend ist und dass jede Nuance alles verändern kann.
Natürlich.
Während sie duschen geht, versucht er, das Loch zuzuschütten. Die Erde ist überall verstreut, und die Dunkelheit erschwert ihm die Arbeit. Eine unnatürliche Stille breitet sich aus, und er hört im Dickicht Zweige brechen. Oben an der Straße fährt ein Auto vorbei, das Geräusch beruhigt ihn. Als das Loch so weit gefüllt ist, dass niemand mehr hineinfallen kann, gibt er sich geschlagen und geht zurück ins Haus. Er verriegelt die Tür und die Fensterläden, duscht und macht sich ein Sandwich. Dann verstaut er den Kelch und den Kerzenhalter im Pappkarton des Mixers und versteckt ihn unter der Spüle zwischen den Putzmitteln.
Jasmim liegt unter einer Schicht von Decken mit angezogenen Beinen auf der Seite und schaut die Wand an. Sie will nichts essen. Er schlüpft zu ihr unter die warmen Decken, streichelt ihren Körper und fährt ihr durchs Haar. Sie will hier nicht wohnen bleiben. Er sagt, sie könne eine Weile bei ihm wohnen, und fragt, ob sie denn vorhabe, in Garopaba zu bleiben. In Ambrósio, Pinguirito und Siriú gebe es noch Grundstücke. In zwei oder drei Jahren kostet alles doppelt so viel, und wenn man jetzt anfängt zu suchen, findet man vielleicht noch eine schöne Ecke, um sich ein Haus zu bauen.
Schlägst du mir gerade vor, mit dir zusammenzuziehen?
Ja. Wenn du willst.
Und wie soll unser Haus aussehen? Meinst du, wir finden ein Grundstück am Hang? Ich wohn gerne am Hang. Muss gar nicht besonders hoch sein.
Sie malen sich noch eine Weile ihr Haus aus, bis ihre schöne, monotone Stimme schlaftrunken und schwach wird und dann
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