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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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seinem Schirm auf einen Durchlass, einen kaum schulterbreiten Gang, den ein Salzhändler durch die Front seines Hauses getrieben hatte, um den Hinterhof zu erschließen. Aus Platzmangel hatten das mittlerweile alle gutbetuchten Lübecker gemacht: die Bäume in den Hinterhöfen gefällt und die Ställe in schlichte Holzbuden verwandelt, in denen Tagelöhner, Knechte, Gesinde und Aushilfen hausten. Der Salzhändler hatte Buden an Treidler vermietet, die für ihn von Lüneburg Salz die Stecknitz herauf holten.
    Gebückt schob sich Rungholt durch den niedrigen Schacht aus Backsteinen. Moos hatte sich breitflächig auf den rauen Steinen festgesetzt. Sein Flaum schimmerte nass, der Regen lief selbst an der Decke des Gangs entlang, ehe er Rungholt in den Nacken tropfte. Schweinegrunzen hallte den Männern entgegen, und in dem bleiernen Licht meinte Rungholt, am Ende des Gangs ein paar dreckige Köpfe in die Budenschatten tauchen zu sehen.
    Rungholt legte seine Hand auf den Gürtel. Seine Gnippe steckte griffbereit im Leder. Gut. Wusste de Kraih, was er hier tat? Wusste dieser Schreiberling, wohin er unterwegs war? Mit den Treidlern war nicht zu spaßen. Den meisten Stecknitzfahrern ging es wegen der Blockade so schlecht, dass sie Wurzeln und Erde aßen.
    »Bei dieser großartigen Zeichnung habe ich den Hammermann bis zur Laudes«, frotzelte Rungholt. »D’ Alighieri wird seinen Kredit wohl abschreiben müssen.«
    »Nicht gerade ein zartes Antlitz, nicht wahr?«
    »Ich sage Euch, ich sollte in die Hölle gehen und dort nachsehen. Entweder Euer Graveur ist ein Blender oder Euer Dieb ein Dämon.«
    Ehe es sich Rungholt versah, waren sie aus dem Gang getreten und standen in einer großen, knöcheltiefen Pfütze. Zwei Ferkel, mit ausgeleierten Seilen festgebunden, wühlten im Matsch nach Essbarem.
    Kaum waren sie zwischen die windschiefen Holzbuden getreten, kamen zwei Weiber herausgestürzt und trieben die Schweine ins Innere. Ihre Blicke hätten nicht feindseliger sein können.
    Unbeirrt führte der Krauskopf Rungholt und de Kraih durch die Pfütze zum westlichen Ende des schmalen Hofs. Hier blieb er zwischen zwei Buden stehen und klopfte mit seiner Keule an eine Backsteinmauer, die bereits bessere Tage gesehen hatte.
    »Hier. Hier is er durch«, erklärte der Büttel und wischte sich den Rotz von der Nase.
    »Durch den Spalt?« Skeptisch beäugte Rungholt einen Riss im Mauerwerk. Fleißige Hände hatten vor Jahren Steine aus der Wand gepult. Auf der anderen Seite konnte er die Überreste eines Handwagens erkennen, dem wohl ebenso lang die Räder fehlten und dessen Achsen im Schlamm verrottet waren.
    »Der hat den Karren davorgezogen. Aufa andern Seite. Deshalb konnt ich nich hinterher.«
    »Den Handwagen?« Knurrend streckte Rungholt seinen Kopf durch den Spalt. Die Karre war länger als ein Mann und hatte einen Aufbau aus schwerem Holz, der mit Unrat und Steinen gefüllt war. Die Achse und die Deichsel waren morsch, aber noch erhalten. »Das Ding wiegt doch mehr als zwanzig Lispfund.«
    »Der hat’n genommen und … Wrrmmm.« Der Büttel deutete an, wie der Dieb den Wagen vor den Riss gezogen hatte. »Ich schwöre.«
    Rungholt nickte grimmig, musterte den Spalt und versuchte kurz, sich auf die andere Seite hindurchzudrücken. Er war zu dick.
    »Wir sind zurückgelaufen. Inne Hartengrube. Und dann anner Trave lang. Der Hof da. Der mit ’m Karren. Das is der Grützmachergang, führt inne Effengrube. Wir sind rum, aber als wir um die Ecke sind, war der Kerl schon weg.«
    »Hm.« Seufzend steckte Rungholt noch einmal seinen Kopf durch den Riss und kämpfte gegen die flammenden Rückenschmerzen an. Einen Moment lang dachte er, der Dieb habe seinen Fluchtweg gut geplant. Doch der Karren sah nicht danach aus, als sei er absichtlich vor ein paar Tagen dort platziert worden. Wahrscheinlich hatte der Hammermann einfach Glück gehabt.
    Rungholt fragte den Krauskopf, warum der Dieb hier hereingelaufen war.
    Der Büttel kratzte sich mit dem Knüppel am Kopf, zog Schleim hoch und spuckte aus. »Weiß ich nich. Ich … Is ja auch egal.« Dann fiel ihm doch noch etwas ein: »Die Hartengrube war zu. Unten. Da zur Trave. Da war alles zu. Da stand ’n Tonnenwagen quer. Glaub, da war Fisch drauf. ’n paar Männer, die hamm den geplündert. Den Wagen. War alles voller Menschen da.«
    »Geplündert? … Hätte er da nicht untertauchen können? In der Menge?«
    »Was? Wo?« Der Büttel winkte ab. »So ein Riesenkerl?«
    Rungholt griff nach

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