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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Hilde hinzu. »Himmel!«
    »Ich bin Kaufmann. Ich bin dein Mann. Ich trage Verantwortung für dich und Hilde. Und für meine Gesellen und Lehrlinge! Selbst für Contz. Die Vitalienbrüder drücken uns den Hals zu, ich muss Erbsen fressen jeden Tag! Und du? Du …, du … Du machst dir Sorgen, weil meine Schecke einen Fleck hat?!« Er stand jetzt dicht vor ihr, konnte ihr Rosenwasser riechen. »Mein bester Mann und Freund ist tot … Weißt du, wie viel eine Grabplatte kostet? Ein Leichenstein? Die Beerdigung, die Einsegnung, die Lichter und Glocken? Nicht zu vergessen die Memoria und das Verwesegeld? Oder willst du Marek still und heimlich auf den Armenacker schmeißen?«
    »Wen? Du hast nicht mal seine Leiche!«
    Wutschnaubend packte er sie bei den Schultern. »Die werd ich finden. Die werd ich sicher leider finden. Da mach dir mal keine Sorgen.« Hitze pulsierte in seinen Adern, und er meinte, Meerwasser zu schmecken.
    Es steht uns bis zum Hals.
    Sein salziger Schweiß war ihm in den Mund gelaufen. Bebend drehte er sich um und ließ sie stehen. »Was hast du für den Tand bezahlt?«, fluchte er. »Nein, sag’s nicht. Will’s nicht wissen! Bring den Plunder zurück. Morgen früh!«
    Er zog die Tür zu seiner Scrivekamere auf. Die gefängnisartige Zelle, die kaum zwei auf zwei Klafter maß, war sein Rückzugsort, an dem man ihn nicht zu stören hatte. Hier, zwischen den Waagen für Speisewürze, Silber und Gold, hier zwischen den Stapeln aus Codices und den Regalen voller Handelsregister fühlte er sich wohl. Hier war er weit fort von seinen Sünden, seiner Vergangenheit. Von Irena und vom Meer. Auf dieser Brücke – im Geruch von Pergamenten, zwischen seinen funkelnden Rechenmünzen, den Geschmacksproben der letzten Monate und der dunklen Vertäfelung – war er der Kapitän.
    »Geht es uns schlecht? Rungholt?« Alheyds direkte Frage ließ ihn innehalten. »Haben wir kein Geld mehr? Sind wir arm?«
    Er fuhr herum, sah sie fassungslos an. Ihr forschender Blick schien sich direkt in seine Seele zu bohren. Vermaledeites Weibsstück, dachte er, sie kann Gedanken lesen. Lass sie bloß nicht in deinen Schädel schauen! Er merkte, wie er zu schwitzen begann. »Was? Arm? … Nein«, murmelte er und wiederholte es schließlich lauter. »Nein. Dummes Geschwätz! Natürlich haben wir Geld. Ich habe vorgesorgt. Was glaubst du denn, Weib. Sag so was nie wieder.«
    Alheyd blitzte ihren Mann an, hob das Kinn kaum merklich, und nun war es an Rungholt, ihrem Blick standzuhalten. Ein Klopfen an der Haustür erlöste ihn.
    »Hilde, kümmer dich bitte drum, dass die Kleider morgen hier verschwunden sind«, sagte er schnell, wusste er doch, dass die Magd hinter der Tür stand und lauschte. Alheyd nickte und eilte zur Haustür.
    Kaum hatte sie geöffnet, hellten schnelle Trippelschritte Rungholts Gemüt auf. Sofort fiel all die Wut von ihm ab, und ein Strahlen eroberte sein Gesicht. »Hohoho! Wen haben wir denn da-haaaa …! Naaaa-haaa …?«
    Zwar spürte er noch immer Alheyds Blick in seinem Rücken, doch es war ihm gleich. Sollte sie denken, was sie wollte. Es gab nun Wichtigeres. Jemand Wichtigeren.
    »Opa! Opa! Mama geschenkt. Guck!« Mit einem Lachen wedelte Marlein mit einer hübsch bemalten Holzpuppe, rannte durch die Diele und sprang Rungholt in die Arme.
    Marleins fröhliches Geplapper konnte die dicke Luft nicht vertreiben. Als Rungholt seine Tochter, Alheyd und Hilde musterte, die wie Hühner auf der Stange unter dem Dach saßen und Marlein zusahen, war ihm klar, dass Hilde Mirke gewarnt haben musste. Alle drei waren Teil der Kleiderverschwörung, da war sich Rungholt sicher.
    »Hoppe, hoppe«, forderte die Zweijährige Rungholt auf. Trotz der Wunde nahm er sie auf seinen Rücken und hopste, so lang es ging, mit ihr herum. Wie sollte er Marlein einen Wunsch abschlagen, wo sie das einzige Geschöpf war, das seinen Jähzorn mildern und die dunklen Wolken verjagen konnte?
    Marlein erzählte fröhlich von ihren Erlebnissen auf dem Markt. Vom Fangenspielen. Vor Rungholts Augen spielte sich noch einmal die Szene beim Lerchenmann ab. Das Mädchen, das in die Hütte gestürzt kam. Wenn nun Marlein etwas passierte …
    Wenn Mirke etwas passierte …
    Noch immer trug er den Kinderschädel in seinem Säckchen.
    Plötzlich stürzte alles auf Rungholt ein. Wie beim Anblick des Erbsenmuses wurde ihm flau im Magen.
    In welche Zeit war Marlein da nur hineingeboren?
    Wittenfresser, die einem das Leben aussaugen. Serovere, die ganze Städte

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