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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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seinen Hammermann.«
    Rungholt drehte den Schädel ins Licht und sah durch die Augen hinein. Im Innern waren keine Runen zu sehen. Er konnte bloß Dellen ausmachen. Vertiefungen, nicht größer als ein Daumenabdruck. Sie waren willkürlich verteilt, und Rungholt nahm an, dass sie natürlichen Ursprungs waren. Vielleicht hatte das Kind, bevor es starb, eine Krankheit gehabt? Je länger er sich die Mulden ansah, desto mehr zweifelte er. Es waren elf Dellen, aber er konnte kein Muster …
    Rungholt zuckte zusammen, so laut zerriss es plötzlich die Stille der Nacht. Hartnäckig ließ jemand den Eisensperling gegen die Haustür krachen.
    Schnell stopfte Rungholt den Schädel in das Geheimfach zwischen die Kannen. Sie klirrten, als er die Paneele schief ansetzte und sie in der Führung verkantete.
    »Moment!«
    Fluchend zerrte er an der Abdeckung herum. Da hörte er bereits Hildes Schritte in der Diele. Endlich gelang es ihm, den Schädel so weit zwischen die Kannen zu stecken, dass sich das Fach schließen ließ.
    Er wollte ein aufgeräumtes Bild abgeben, stellte aber fest, dass noch immer der Becher und die Kanne Genever auf seinem Schreibtisch standen und sein Rechentuch durch das verkohlte Holzstück verschmutzt war. Die Tranlampe ließ die Runen im Tafelwachs hübsch glitzern.
    Seine Magd öffnete, und Rungholt hörte, wie sie Bürgermeister Dartzow begrüßte. Der Mann wechselte bloß wenige Worte mit ihr, klang aber sehr besorgt.
    »Er ist in seiner Schreibkammer«, hörte Rungholt Hilde sagen, dann näherten sich die beiden bereits.
    Mit einem schnellen Wurf versenkte Rungholt den Becher in einem Sack mit Linsen, klappte sein Diptychon zu und tat, indem er das Tuch zusammenwickelte, als wäre er gerade mit Rechnen fertig.
    »Kommt rein! Kommt rein, Dartzow«, rief er durch die geschlossene Tür.
    Hilde ließ den Mann eintreten. Dartzow sah furchtbar aus, klitschnass und abgehetzt. Seine Tranlampe war im Regen erloschen. Wasser und Fischöl troffen auf Rungholts teure Fliesen.
    »Ihr … Ihr seid noch am Arbeiten?« Beeindruckt von Rungholts Disziplin, blickte der Mann sich in der Kammer um. »Entschuldigt, immer störe ich Euch.«
    Gönnerhaft winkte Rungholt ab. »Ihr doch nicht. Ich war gerade fertig.« Er lehnte das aufgerollte Rechentuch an seine Truhe, auf der Feinwaagen, Gewichte und mehrere Lesesteine lagen.
    »Bringt unserm Gast eins der fantastischen Dünnbiere«, wies er Hilde an. »Ein ganz wunderbarer Brau, dies Jahr. Ihr werdet sehen.« Im Schein von Rungholts Lampe sah Dartzow kreidebleich aus. »Oder wollt Ihr lieber einen Branntwein …«
    »Wäre mir lieber, ja.«
    »Das Bier ist aber gut.«
    »Lieber Branntwein.«
    »Es ist wirklich gut.«
    »Lieber einen Schnaps.«
    »Es stärkt sehr. Überaus belebend.«
    »Branntwein wäre ausreichend.«
    »Hm. Nun denn. Hilde, hol den guten. Nicht den Fusel für unsere Kunden.« Mit einem leutseligen Lachen schob er dem Ratsmann einen Stuhl hin. Ein ungutes Gefühl beschlich Rungholt. Wenn der Bürgermeister sich mitten in der Nacht noch auf den Weg machte – und das bei diesem Wetter –, dann brachte er sicher schlechte Kunde.
    Marek, schoss es Rungholt durch den Kopf. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und atmete durch. »Ihr habt die Leiche gefunden.«
    »Was? Welche?«
    »Marek Bølge. Mein Kapitän. Ich habe ihn vor drei Monaten nach Brügge geschickt. Gestern habe ich meinen Konvoi entdeckt. Bei Schwartau. Ausgebrannt. Ich habe schon im Rathaus Bericht erstattet. Waren es die Wilden Männer?«
    »Wovon sprecht Ihr?«
    »Mein Konvoi. Ausgebrannt. Dabei waren sie so gut wie in der Stadt. Keine Leichen, alle gefressen.«
    » Gefressen? Himmel!« Dartzow schüttelte den Kopf. »Von Eurem toten Kapitän weiß ich nichts. Es tut mir leid um Euren Mann.«
    »Nicht?« Rungholt war verwirrt. »Ich dachte, Ihr hättet Männer in den Wald geschickt. Wegen dem Wilden Mann.«
    Nun war es an Dartzow, verwirrt zu sein. »Ich brauche alle Soldaten hier … Hier in der Stadt.«
    »Dann seid Ihr nicht wegen Bølge hier. Seid Ihr wegen der Böttcher-Magd da? Wie hieß sie noch?«
    »Agnes. Die Magd vom Meenkens.« Der Bürgermeister zog seine triefende Gugel vom Kopf. »Nein. Deswegen bin ich auch nicht hier, Rungholt.« Er seufzte. »Es ist ein Kind gefunden worden.«
    »Ein Kind?«
    »Wir haben …«, er brach ab. »Ihr habt von den vermissten Kindern gehört?«
    Rungholt brummte ein »Ja« und fügte an: »Die Kinder spielen Wilder Mann in den Gassen, und auf dem

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