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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meister Derek
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Mornewech.
    Auch er war tot.
    Neben ihm lag, halb umgestürzt, eine Daube. Rungholt erkannte teure Kräuter und Pilze und sah den fettigen, mit Butter verfeinerten Brei. Sogar Fleischstückchen hatte Peterchens Mutter hineingeschnitten. Ein stärkendes Mahl für den endlich heimgekehrten Sohn. Sein Kopf und seine Unterarme waren mit Wickeln umhüllt worden, der Junge war, wie es schien, wohl umsorgt gewesen. Er hatte sich an drei Kissen gelehnt. Auf den ersten Blick konnte Rungholt keine Spuren von Gewalt erkennen.
    Endlich fand Dartzow seine Stimme wieder. »Er hat keinen Schlag abbekommen, oder?«
    »Sieht beinahe so aus, als sei er vor Schreck gestorben.« Möglichst behutsam watete Rungholt weiter in das Zimmer hinein, um keine allzu großen Wellen zu schlagen, die an die Toten schwappen und noch mehr Blut ins Wasser spülen konnten.
    Der Junge interessierte ihn am meisten. Er war ein zierlicher Knabe, nicht älter als neun oder zehn Jahre, hatte blondes, kinnlanges Haar. Noch immer blickten seine blauen Augen klar drein. Sie hatten ihm ein Leinenhemd übergestreift, ihn ins Bett gesetzt und eifrig umsorgt. Zumindest nahm Rungholt an, dass es nicht der Mörder, sondern die Schwester und die Eltern gewesen waren, die Peterchen Äpfel und Dünnbier neben das Bett gestellt hatten.
    »Gebt mir Euer Tuch«, forderte Rungholt Dartzow auf. »Ihr könnt es abnehmen. Diese Toten sind noch zu frisch. Sie stinken nicht.«
    »Fortiter ille facit, qui miser esse potest«, seufzte Dartzow und reichte es Rungholt. »Tapfer nur handelt, wer still Elend zu tragen vermag … Wie frisch?«
    »Schickt alle raus. Ich werde sie untersuchen.«
    Rungholt wartete, bis die Schaulustigen nach draußen gedrängt worden waren, und schlug mit dem Tuch die Decke beiseite. Sie war kalt und nass. Neben Peterchens Beinen lagen mit Leinen umwickelte Backsteine. Waren die Steine noch warm? Rungholt fühlte mehrmals. Er war sich nicht sicher. »Die Steine sind nicht mehr glusam. Wer immer sie ihm ins Bett gelegt hat, damit der Junge nicht friert, hat es nicht heute Morgen getan.«
    »Dann ist das alles …«
    »Wahrscheinlich gestern geschehen. Feria tertia. Am Dienstag. Fragt Jakobus, wann er Mornewech gesprochen hat.« Rungholt legte seine Brille auf den Backstein, weil er nicht wollte, dass sie mit dem nassen Blutbett in Berührung kam. Behutsam nahm er den Arm des Jungen und prüfte, wie weit die Totenstarre ausgeprägt war.
    »Der Arm lässt sich noch nicht bewegen …« Rungholt sah sich um, schien etwas zu suchen, fand aber nichts Geeignetes. Weil er kein Laken oder Brettchen hatte, auf das er sich hätte knien können, musste er notgedrungen so aufs Bett steigen. Er rutschte auf die Decke, vermied es aber, sich abzustützen. Sofort spürte er, wie das kalte Blut der Mutter durch seine Beinlinge drang und seine Knie davon klamm wurden.
    Er beugte sich zwischen sie und ihr Kind und berührte Peterchens Kinn.
    »Was tut Ihr?«
    »Sehen, ob ich Recht habe.« Seine Pranke legte sich fester an Peterchens Kiefer und versuchte, ob sich der Mund schließen ließ. Er tat es nicht. Dann begann er ein paar der Leichenflecke wegzudrücken. »Arm bewegt sich nicht. Kiefer nicht … Flecke lassen sich nicht wegdrücken. Wahrscheinlich sind sie Montag gestorben. Vor anderthalb Tagen.«
    »Montagmittag.«
    Rungholt nickte vage. Er sah sich noch einmal zu den Leichen um. »Sicher hängt es mit Peterchens Verschwinden zusammen. Für einen Raubmord kommt mir das reichlich brutal vor. Und Mornewech hat wohl kaum große Reichtümer besessen … Fragt Jakobus, vielleicht hat Mornewech etwas zu ihm gesagt, was Euch weiterbringt.«
    Dartzow nickte. »Wollt Ihr Jakobus nicht befragen?«
    »Nein… Nein … Das sind nicht meine Toten, Dartzow.«
    Der Bürgermeister nickte. »Und Ihr seid Euch sicher?«
    »Was? Dass es kein Raubmord war? Wer immer das getan hat, er kannte keine Skrupel. Er kommt hier in den Keller, stößt die Tür auf und tötet einen nach dem anderen.«
    »Außer Peterchen.«
    »Da muss ich Euch enttäuschen.« Rungholt hatte es bereits gesehen, als er sich aufs Bett gekniet hatte. Auch in Peterchens Bauch klaffte eine Wunde. Der Mörder hatte ihm das Schwert in den Leib gerammt. Sein Nachthemd war durchstochen. Das ganze Blut stammte nicht bloß von Peterchens Mutter. Angewidert zog Rungholt eines der Kissen hinter Peterchens Rücken hervor. Stroh lugte heraus. Das Schwert war glatt durch den Jungen und die Kissen gefahren. »Wahrscheinlich war er

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