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Fly Me To The Moon - In seinem Bann 6

Fly Me To The Moon - In seinem Bann 6

Titel: Fly Me To The Moon - In seinem Bann 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaïs Goutier
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der zum Kunstwerk erhobene Flaschentrockner und das Fountain getaufte Urinal, die dafür gesorgt hatten, dass der Kunstbegriff neu diskutiert und definiert werden musste. Duchamp hatte auch gesagt: »Alles Wichtige, was ich getan habe, kann in einen kleinen Koffer gepackt werden.« Das Produkt dieses Statements war seine Boîte-en-valise , eine Art tragbares Künstlermuseum in Gestalt einer Schachtel im Koffer, in der sich kleine, faltbare Reproduktionen seiner Meisterwerke befanden. Natürlich konnte ich Ian keinen Duchamp-Koffer schenken – die wenigen Exemplare befanden sich in Museen und bedeutenden Kunst-Sammlungen, vielleicht verbarg sich sogar eines im Archiv der Sammlung Reed. Aber die Idee eines Museums für die Westentasche war perfekt.
    Mit Kikis tatkräftiger, fachkundiger Unterstützung entstand, während Ian in Kopenhagen weilte, an einem weinseligen Frauenabend und einem Nachmittag bei Kaffee und Kuchen in mühevoller Detailarbeit eine an Duchamps Klappkoffer angelehnte Schatulle mit verkleinerten hochwertigen Reproduktionen all jener Kunstwerke, die Ian besonders am Herzen lagen. Sie enthielt die Arbeiten von Gerhard Richter und Yves Klein aus Bethanies Haus, die Architektur-Gemälde der klassischen Moderne aus Ians Büro und die Andromeda-Darstellungen und Newton-Fotografien aus seinem Apartment sowie eine Replik des herrlichen Max Ernst aus dem Sammlungsdepot. Sogar eine Miniaturausgabe von Auguste Rodins Danaide war vertreten.
    Zwar hatte ich mit dem Modell für die Ausstellung bereits ein bisschen Erfahrung mit der Herstellung kleinteiliger Miniaturen gesammelt, aber ohne Kikis künstlerisch-handwerkliche Fertigkeiten, wäre mein Vorhaben vermutlich dennoch kläglich gescheitert und ganz gewiss nicht zu einem so professionellen Ergebnis gelangt.
    Und dann kam ich auf dem Heimweg von Kikis Wohnung an Juliette/Justine vorbei, einer Boutique für teure Dessous und erotische Spielzeuge – speziell für Frauen.
    Ich hatte mir schon öfter die Auslage angesehen, denn das geschmackvoll dekorierte Schaufenster hatte nichts gemein mit trivialen Sexshops. Dennoch ließ die ausgestellte hochpreisige Designer-Lingerie keinen Zweifel an der Ausrichtung dieses Fachgeschäfts und so hatte ich noch nie einen Fuß in diesen Laden gesetzt.
    Heute jedoch folgte ich einem inneren Impuls, setzte den Blinker, nahm die Parkbucht, die gerade direkt vor der Tür frei wurde und trat über die Schwelle. Eine junge Asiatin mit Namen Tami begrüßte mich mit einem verbindlichen Händedruck und bot mir als erstes eine Erfrischung an. Auf einer dunklen Konsole standen Wasser, Sekt und eine Nespresso-Maschine bereit – ich lehnte dankend ab. Wir waren allein im Laden. Das Interieur mit den glänzenden Holzbohlen und den rotgrundigen, floralen Stofftapeten hatte den gleichen boudoirhaft plüschigen Charakter wie die Waschräume im Maud , erinnerte mit den hier und da aufgestellten erotischen Skulpturen und barocken Plüschsesseln aber noch deutlicher an ein Pariser Bordell der Jahrhundertwende.
    »Kann ich Ihnen bei Ihrer Wahl behilflich sein?« erkundigte sich Tami.
    »Ich weiß nicht«, gestand ich wahrheitsgemäß.
    Tami lächelte und nickte. »Verstehe. Dann sehen Sie sich erst einmal um und lassen Sie sich inspirieren.«
    In verglasten, edelhölzernen Vitrinen, in denen man eigentlich kostbares Porzellan vermutete, und auf barocken Konsolentischen waren ausgefallene Sextoys aus noch ausgefalleneren Materialien dekoriert. Venezianische Federmasken lagen neben gläsernen Dildos und strassbesetzten Plugs. In einer anderen Vitrine waren Schmuckstücke aus Silber, Gold und Perlen ausgestellt, deren spezielle Verwendungszwecke sich mir erst bei genauerem Hinsehen erschlossen. Dessous und seidene Nachtwäsche hingen eng gedrängt auf Kleiderbügeln in nostalgischen Wandnischen, ausgefallene Einzelstücke waren auf gusseisernen Kleiderbüsten arrangiert. La Perla, Aubade, Lise Charmel, Simone Pérèlle und Chantal Thomass– es schien keine Luxusmarke für Lingerie zu geben, die hier nicht zu finden war.
    Und dann fiel mein Blick auf ein Dessous-Set, das auf einem rotsamtenen Puppentorso präsentiert wurde. Ich wusste sofort, dass es das Richtige war, auch wenn ich noch keine Ahnung von den versteckten Details und keine Vorstellung von dem utopischen Preis hatte.
    »Ein besonderer Anlass?« riet Tami.
    »Eine Geburtstagsnacht.«
    Sie nickte. »Eine phantastische Wahl und das Highlight der aktuellen Kollektion. 70C würde ich

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