Flying Moon (German Edition)
provozieren, so stand es im Drehbuch. Karl war eher steif und ungeschickt, man sah, dass er sich noch nie in seinem Leben mit jemandem geprügelt hatte. Denis bewegte sich dagegen erstaunlich geschmeidig. Lasse war auf beeindruckende Weise professionell und ruhig. Trotzdem war Uli unzufrieden.
»Es ist zu wenig Bewegung im ganzen Ablauf! Wir brauchen mehr Emotion.«
Lasse, Denis und Karl probten erneut, gingen aneinander vorbei, pöbelten, rempelten sich an und gerieten in ein kleines Handgemenge. Uli reichte das immer noch nicht. Er winkte den Stuntman heran, der ein paar Bewegungsabläufe vorschlug, auf die Denis sofort einstieg.
»Genau!«, rief Uli, »legt los. Improvisiert einfach ein wenig, redet! Vergesst den genauen Text, lasst es laufen.«
Alle gingen wieder auf ihre Positionen, und der Ablauf begann von vorn. Lasse kam aus einem der Räume und Karl und Denis versperrten ihm den Weg. Mittlerweile konnte ich den Text schon mitsprechen: Ey, Alter, brauchst du den ganzen Gang, oder was? Verpiss dich! Und so weiter. Sie wiederholten die Szene, begannen zu rangeln und auf einmal standen sich Lasse und Karl drohend gegenüber. Es war still. Sogar die Kinder, die als Komparsen herum standen, erstarrten.
»Hau ab!«, sagte Lasse, doch Karl blieb stehen.
»Geh du doch.«
»Verpiss dich!«
»Wieso denn?«
»Weil ich es sage.«
»Und was du sagst, muss gemacht werden?«
»Allerdings.«
Lasse packte Karl und schüttelte ihn, Karl wehrte sich ungeschickt, aber Lasse ließ ihn nicht los. Er sah Karl abschätzig an, beide fixierten sich. Lasse zögerte kurz, drehte sich dann abrupt um und ging einfach weg. Das alles stand nicht im Drehbuch und wirkte auch nicht einstudiert. Ich sah unsicher zu Uli, der zufrieden grinste.
»Danke!« Er klatschte leise und anerkennend in die Hände. »Genau das wollte ich sehen.«
Denis kam und legte Karl seinen Arm wie ein Trainer nach einer Boxrunde auf die Schulter.
»Krass, Alter! Du kannst ja doch spielen!«
Ich ging in die Garderobe. Auf dem Weg dachte ich an die Szene. Es war, als hätte ich einen neuen Lasse gesehen. Aggressiv und brutal.
Als ich etwas später über den Hof lief, rannte Karl hinter mir her und holte mich ein. Ich merkte, dass ihn etwas beschäftigte, ich kannte ihn gut genug.
»Was ist?«
»Sag mal, hat Lasse was gegen mich?«, fragte er zögernd.
»Wieso?«
»Ich weiß nicht, gerade ... das fühlte sich verdammt echt an.«
»Er ist einfach ein guter Schauspieler.«
Karl grinste skeptisch. »Denis meint, er ist schnell genervt. Als ob er sich für was Besseres hält.«
»Glaub ich nicht.«
»Fällt dir das nicht auf, Moon? War schon beim Stunttraining so. Er hat irgendwelche Kampftechniken drauf, denkt, er muss nicht proben. Er wäre am liebsten sofort wieder zurückgefahren. Nie setzt er sich zu uns an den Tisch, immer sitzt er bei Uli oder Peter. Denis ist zwar nervig, aber er benimmt sich wenigstens nicht wie ... du weißt schon.«
Ich schwieg.
Im Speiseraum stand Krista schon in der Schlange, winkte mich nach vorn und reichte mir einen Teller. Wir setzen uns zu Denis an den Tisch, später kam Karl dazu, aber Lasse setzte sich wieder zu Uli.
»Siehst du«, sagte Karl leise.
»He, habt ihr schon gehört?«, rief Denis in die Runde. »Lasse gibt morgen Abend eine Pizzaklappe.«
»Eine was?«
»Hast du das vorhin gar nicht mitbekommen, Moon?«
»Nein.« Ich hatte keine Ahnung, wovon Denis sprach.
»Schnapsklappe!«, erklärte Krista und lächelte.
»Schnapsklappe?«
»Also, wenn es zum Beispiel die vierte Szene, die vierte Einstellung und der vierte Take ist – dann ist das eine Schnapszahl. Und irgendeiner am Set muss was ausgeben. Und deshalb, und weil er der reiche Star unter uns ist, gibt Lasse morgen nach dem Dreh Pizza aus.« Krista sah zu Denis. »Habe ich das jetzt gut erklärt?«
Sie hatte nicht bemerkt, dass Lasse hinter ihr stand.
»Bis auf das mit dem reichen Star«, sagte er ruhig.
Krista wurde rot. Sie drehte sich leicht zu Lasse um und sagte listig. »Du bist also nicht reich?«
Er sah sie nicht an, sondern über ihre Schulter direkt in meine Augen. »Ich bin kein Star!«
Nach dem Essen ging ich sofort nach oben und warf mich aufs Bett. Was war los? Was hatten alle gegen Lasse? Wieso dauernd dieses Gerede über Ruhm und Stars? Eigentlich hatte ich fest vorgehabt, mit Krista zu sprechen, aber sie war sofort duschen gegangen. Es klopfte.
»Ja?«
Karl sah ins Zimmer.
»Kann ich reinkommen?«
»Klar, setz
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