Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Parkhaus, mache eine Besorgung und werde
sie in einer halben Stunde hier abholen, da sie wissen wolle, mit wem sie sich verabredet
habe, so sei das.
Ihr Ton
war sehr höflich, das schuf Distanz. Pamela musste innerlich lächeln. Diese Josy
war nicht wie die Gleichaltrigen. Sie mochte sehr reif sein und war doch noch ein
Kind, das versuchte, sich älter zu geben, als es war. Es gelang ihr, ihre Unsicherheit
knapp zu verdecken, dahinter lag etwas Bittendes. Ihre ganze Haltung war empfindsam,
extrem feinnervig. Äußerlich war viel von der Tochter eines gewichtigen Bauunternehmers
zu sehen, verwöhnt, gewohnt, zu erhalten, was sie wollte, distanzierend. Offensichtlich
imitierte sie diese Stiefmutter, von der Francis gesprochen hatte. Wie hatte er
gesagt: eine knallharte Lady, die alles auf eine hinterhältig weiche Art dirigiert.
Doch da war etwas sehr Zartes. Dazu hatte Pamela die widersprüchliche andere Seite
gesehen, das Mädchen, das sich wie ein Junge gab, der sich nicht bändigen ließ.
Josy Kalla musste schon sehr verletzt worden sein.
Also tat
Pamela, als bemerke sie den etwas herablassenden Ton nicht. Sie bot ihr höflich
die Dessertkarte an, oder wollte sie lieber etwas trinken? »Ich habe die Karte schon
studiert und nehme einen Eiskaffee.« Pamela war ganz enttäuscht, dass Josy dem nicht
folgte, sie hatte es als jugendgerechten Kompromiss gemeint, doch Josy bevorzugte
einen gekühlten Früchtetee.
Dann redeten
sie. Pamela fand die Kleine faszinierend, allein schon diese grünen, klaren Augen.
Das Kind war wunderschön. Es musste in der Harmonie ihrer Züge liegen, in den Bewegungen,
im Ebenmaß des ovalen Gesichts. Es war die klare gewölbte Stirn, die feine längliche
Nase, der Mund mit den jetzt frischroten Lippen, ein Cupido. Das Verrückteste waren
die viel zu dünnen Finger an den fein geäderten Händen, die sich permanent in Bewegung
befanden, als wiegte sie sich in einer Musik, die ihre Gesten trug. Pamela rieb
sich die Augen, vor ihr saß eine Elfe. Hier am Wasser müsste es doch eine Nixe sein.
Pamela konzentrierte sich. Diese Elfe gehörte zu den Unstimmigkeiten und den unangenehmen
Gefühlen der letzten zwei Wochen. Mochte sie so hübsch sein, wie sie wollte, sie
war ihr ein paar Erklärungen schuldig.
Josy rührte
ihren Früchtetee nicht an. Sie zog einen Zettel aus der Tasche und entschuldigte
sich. Sie hätte sich Stichworte aufgeschrieben, um ja nichts zu viel zu sagen und
nichts zu vergessen. Pamela achtete mehr darauf, wie sie es sagte. Sie redete leise,
Pamela musste sich direkt vorbeugen, damit die Worte im Rauschen vernehmbar blieben.
Ihre Augen blickten mit tödlichem Ernst. Sie warnte. Das war der Sinn dieses Treffens.
Ganz bewusst indirekt sagte sie, ihr Vater sei ein Verbrecher. Pamela blieb das
Eis im Hals hängen, das war so brennend kalt, sie konnte nicht mehr schlucken. Doch
sie war sich sicher, dieses Mädchen log nicht. Sie bewunderte die Kleine, die, so
überzeugt von dem, was sie sagte, logischerweise davon ausgehen musste, dass sie
sich selbst in Gefahr brachte, weil sie hier war und sie warnte und dies trotzdem
tat. Also war sie extrem mutig. Und clever. Sie hatte einen Weg gefunden, sich mit
ihr zu treffen, ohne dass man daraus Schlüsse ziehen konnte. Zudem wusste offensichtlich
auch sie, dass sie hier nicht belauscht werden konnte. Sie war klug, Punkt für Punkt
hatte sie notiert, was zu sagen war. Beeindruckend war, dass sie es leichthin sagte:
Es könnte sein. Sagte sie etwas, das Pamela nicht schon wusste? Francis war in ein
Verbrechen verwickelt, das seinem Vater das Leben gekostet und seine Mutter debil
gemacht hatte. Er war in größter Gefahr. Weil sie, Pamela, neben ihm war, betraf
die Gefahr jetzt auch sie. Pamela wusste, so war es. Auch dass Josy den Zettel zerriss
und die Fetzchen in die Aare schweben ließ, hatte nichts Theatralisches, es entsprach
einer angemessenen Vorsicht.
Sie erwähnte
kurz, dass ihre Mutter, die sie jetzt gleich abholte, ihre Stiefmutter war. Sie
wussten beide, dass diese Information wesentlich dazugehörte. Es erklärte wirklich
einiges.
*
Hätte sie Cooper nicht, wäre alles
anders. Natürlich würde sie sich auch bewegen, ganz sicher ginge sie ebenso joggen
wie jetzt. Doch sie wäre nicht auf gut Glück in die Elfenau gefahren, die sie gegoogelt
hatte, hätte nicht oben bei den letztmöglichen Parkmöglichkeiten das Auto abgestellt.
Sie kannte die Elfenau nicht. Jetzt fühlte sie sich wie in einem Traum. Sie
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