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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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es um etwas anderes ging. Der Kern war: Sie musste Pamela heute,
wenn möglich jetzt gleich, treffen, wie sie sagte, ging es um eine Schularbeit,
die aus einem Interview bestehe. Der Unterton hieß, »bitte«, »dringend«, »jetzt«,
»sofort«. Er hieß auch: »Ich habe Angst und stehe kurz vor dem Durchdrehen.« Jetzt
zögerte Pamela nur noch für allfällige Mithörer, auch die Nebentöne stimmten, Josy
redete so verschlüsselt. Pamela improvisierte, »Es geht mir diese Woche nur schlecht,
ich muss für mein Buch auswärts Recherchen machen, morgen. Genau besehen geht es
nur heute. Ich hatte heute noch kaum Zeit, etwas zu essen. Wie wär’s im Schwellenmätteli,
hast du Lust, mich dort zu treffen, in einer Viertelstunde?« Ein kurzes Zögern,
weiß der Kuckuck, was Josy so kurzfristig einfach ausfallen lassen musste. Dann
sagte sie rasch und allzu trocken: »Das ist gut, ich werde dort sein, vielleicht
zehn Minuten später, danke. Ich muss ausschalten und zurück in die Stunde, doch
ich komme gern.« Pamela fügte noch bei: »Ich freue mich.« Doch da war das Gespräch
schon beendet, ein Klicken, und die Mailbox meldete sich. Was wollte diese Josy
so dringend, ausgerechnet von ihr? Pamela war besorgt. Womöglich hatte es etwas
mit Francis’ Zustand zu tun.
    Dieser schlief
jetzt nach der Schmerztablette, die sie ihm gegeben hatte. Sie würde ihn kurz allein
lassen. Sie wählte Lucius’ Handynummer, doch dieser hatte typischerweise sein Handy
nicht eingeschaltet, wenn er es überhaupt mitgenommen hatte. Er war irgendwo in
der Stadt unterwegs. Pamela legte einen Zettel gut sichtbar auf den Küchentisch,
»Francis ist oben, schläft nach einer Schmerztablette, komme gleich wieder. Ruf
an!«
     
    *
     
    Als Josy erschien, bestätigte sich
Pamelas Eindruck. Das war nicht die bisherige Josy, das dreieckige Gesicht fast
ohne Schminke, grau. Riesige erschrockene Augen, eine scharfe Falte von der Nase
bis weit über den Mundwinkel hinunter, und das im Gesicht einer Jugendlichen. Sie
strahlte nicht, schaute sich nervös um, bat, sie sollten sich an den freien Tisch
gleich vorn am Wasser setzen. Beim Tisch angelangt streifte sie die Uhr ab, nahm
Kette, Haarspange und Gürtel, steckte alles in eine Plastiktüte, stopfte auch ihre
Umhängetasche dazu und legte die Tüte etwa drei Meter weg neben das Geländer am
Fluss.
    Pamela stutzte:
»Willst du bestohlen werden?«
    Josy hob
hilflos die Hände: »Es ist nicht so wichtig.« Jetzt setzte sie sich schräg hin,
sodass sie den Zugang zum Haus im Auge hatte, versuchte Pamela anzulächeln, was
gründlich misslang, es machte das Gesicht noch nackter. Pamela erschrak und wollte
wissen, was los sei. Doch bevor sie den Satz zu Ende sprechen konnte, im Sinn von
›Ich weiß, dass das mit der Arbeit ein Vorwand ist‹, oder ›Fühlst du dich auch gut?‹
legte Josy ängstlich und beschwörend zwei Finger auf ihren Mund; es war die Geste,
nichts weiter zu sagen. Josy lehnte sich über den Tisch Pamela entgegen und sagte
eindringlich und leise: »Kommen Sie näher.« Jetzt wies sie erklärend auf die Tüte:
»Meine Uhr und meine Haarspange sind verwanzt, und durch das Handy werde ich gleichfalls
abgehört – Wilma, mein Vater. Es geht um Francis.« Fast unhörbar und beschwörend
fügte sie bei: »Sie wollen Francis umbringen.« Sie starrte mit ihren grünen Augen,
es wirkte sehr kindlich. Pamela antwortete mit einem: »Das ist es also.«
    Bevor die
Tränen rollten, stand eine der Kellnerinnen neben ihnen am Tisch. Pamela schaltete
rasch: »Du hast sicher schon Fragen vorbereitet.« Und zur Kellnerin meinte sie:
»Ja, wir essen etwas Kleines, kalt, ich nehme gern einen Lachsteller mit Meerrettich
und Toast, dazu eine Flasche Mineralwasser.« Und zu Josy: »Hast du auch Lust auf
Lachs oder nimmst du eher einen Salat oder ein Schinkenbrot? Wenn wir kalt essen,
können wir gleichzeitig arbeiten.« So verhielt man sich also, wenn es um Leben und
Tod ging.
    Zunächst
musste die Kleine beruhigt werden. Pamela war versucht, die Hand auszustrecken,
Josys wie leblos daliegende Hand zu fassen. Sie ließ es bleiben. Sie sagte leichthin:
»Habe ich dir schon gesagt? Das Wichtigste in einer Notlage ist ein Vierpunkte-Plan,
vier Schritte, um aus dem Gröbsten herauszukommen. Das verhindert Panik.«
    Es ging
zunächst ums Beruhigen, dann musste sie wissen, was Josy wusste, hierauf klären,
ob Josy in Gefahr war, das mit dem Abgehört werden gefiel ihr gar nicht, und zuletzt
konnte man überlegen,

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