Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
a
– schon gingen sie an ihrer Tür vorbei. Pamela drückte sich an die Wand. Unverkennbar
die Stimme der Wilma Kalla. Pamela konnte nicht anders, sie spähte ihnen nach.
Beim Empfang meldete sie sich ab.
Eine andere Frau stand hinter der Theke als jene, die ihr den elektronischen Ansteckknopf
gegeben hatte, der jetzt unter Maudes Matratze lag. Es schien ihr nicht aufzufallen,
dass sie ohne Begleitung anstatt vom Lift von der Treppe kam. Es schien auch nicht
nötig zu sein, einen Knopf abzugeben. Kein Knopf, keine Begleitung, keine Aufmerksamkeit.
Die Frau tippte ihren Ausgang in den PC, die Sache war geregelt.
Doch ein
lausiger Betrieb? Hätte nicht ihr Weggehen aus dem Zimmer, das Liftfahren, der Gang
zum Notfallzimmer und ihr Alleingang zum Empfang irgendwo bemerkt werden müssen?
Nein, sie sagte nichts. Sie hatte nicht nur die Gebäulichkeiten etwas erkundet,
sie hatte auch eine Lücke im Sicherheitssystem bemerkt. Dazu hatte die Kommunikation
nicht geklappt, sie war unversehens aus der Überwachung ausgeklinkt worden. Sie
war sehr zufrieden mit sich.
An sich
war Wilma Kallas Auftauchen nicht außergewöhnlich. Wilma Kalla gehörte zu Maude
Berrys engstem Freundeskreis. Wenn Frau Professor sie so gut kannte, hätte sie dies
ja beiläufig erwähnen können. Oder man hätte es Emily sagen müssen, wenn man ihr
schon Francis überließ. Und wenn es so wäre, wie Josy meinte, dass Wilma Kalla hier
war, um Maudes »Zukunft« einzuleiten? Der Zeitrahmen mochte sehr eng geworden sein.
*
Pamela wunderte sich. Anstatt total
erschöpft zu sein, immerhin hatte sie einen sehr großen Stress mitgemacht, war sie
belebt. Sie fühlte sich gut wie noch nie hier in Bern. Die Antihistamin-Spritze
musste den Föhn neutralisiert haben. Sie fühlte sich als muskulöser Torero, der
jeden Stier dieser Welt bei den Hörnern packen würde. Sie hätte Lust, jetzt auf
dem Münsterplatz oder der Bastion einen Flamenco zu tanzen, fürchtete weder Tod
noch Teufel und lachte hellauf, dass sie dieses Bild gebrauchte.
Im Henneli
stieg sie die Treppe hoch, beschwingt. In der Küche stand Cooper und sah aus wie
ein begossener Pudel, und wieder lachte sie, genau so sah ein begossener Pudel aus,
den Kopf gesenkt mit demütigem Blick aus runden Hundeaugen, die Ohren so richtig
eng angelegt, den Schwanz nach unten und, so gut es ging, eingezogen. Noch immer
lachte sie: »Cooper, du großes Elend, wie schaust du denn aus? Hat dir der Hase
keine Eier gebracht?« Doch während sie es sagte, gefiel es ihr nicht. Cooper war
bekümmert, was war denn hier los? Und wirklich, als fühlte er sich endlich verstanden,
gab er ein leises Winseln von sich. »Bist du krank, fehlt dir etwas, tut dir etwas
weh?« Pamela wollte sich zu Cooper niederknien. Doch der drehte den Kopf weg, Richtung
Obertreppe. Jetzt hörte sie es. Ein Stöhnen. Heimatland, was war da los?
Zuerst sah
sie seine Turnschuhe, die Hosenbeine. Das eine zerrissen, schwarz verfärbt. Francis
lag halb auf der steilen Treppe, hatte versucht, sich hinzusetzen. Sein Shirt war
voll Blut, das Gesicht war geschwollen, möglicherweise war die Nase gebrochen. Es
durfte nicht wahr sein.
Pamela dachte
an ihre Antihistamin-Spritze und wie gut es war, dass sie sich nicht aufregen konnte,
weil sie einen kleinen Schwips hatte. Wie gut, dass sie eine nervenstarke Frau war.
Eine nervenstarke Frau hyperventilierte jetzt nicht, sondern kletterte sorgfältig
die drei Stufen an diesen Beinen vorbei bis zum Oberkörper. Wie lang der Junge war.
Zumindest stöhnte er. Also lebte er. Nur die Augen waren geschlossen. Sie berührte
seinen Arm. Er zuckte zurück, versuchte wegzukommen, fast wäre er ins Rutschen geraten.
Ach du liebe Zeit, es fehlte noch, dass sie beide hier diese halsbrecherisch steile
Treppe hinunterfielen.
»Hey, Francis,
ich bin’s, Pamela. Komm, wir schauen, dass wir ganz nach oben kommen, es sind noch
drei Stufen.« Jetzt war er wach. Ein Zucken ging durch sein Gesicht, ein Auge konnte
er nicht öffnen. Sie half ihm, das Treppengeländer zu fassen, mit Mühe zog er sich
hoch. »Schau, das geht ja ganz gut, du hast sogar Beine, die du bewegen kannst.
Komm heb sie, dann bin ich nämlich froh, dann ist alles nur halb so schlimm. Komm,
stütz dich jetzt auf mich.« Mit aller Kraft hielt sie sich am Geländer fest. Sie
hätte nicht gedacht, dass er so schwer war. Jetzt waren sie oben, torkelten und
schleppten sich zum Schlafzimmer. »Du legst dich jetzt am besten aufs Bett, das
heißt,
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