Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
umkäme, und das war eine
bindende Abmachung, würde eine Steinplatte mit seinem eingemeißelten Märtyrernamen
am hohen Berg in seiner Heimat aufgestellt.
Es durfte
keine Zeit verloren gehen, damit die Temperatur gehalten blieb.
Reza raste
mittags auf seinem Fahrrad nach Hause, packte das Paket in die Kühltasche, strampelte
zurück zum Inselspital. Wieder umgekleidet in seine sterilen weißen Spitalkleider
fuhr er mit dem Lift ein Stockwerk höher in die jetzt zur Mittagszeit sehr ruhige
Abteilung für Geriatrie. Im Eckzimmer lagen zwei der dementen Pflegefälle. Hier
stellte er die Tasche unter das Bett am Fenster. Darin lag eine lächelnde Person,
ob Mann oder Frau war nicht klar. Am Bett war sie angeschrieben, Frau Fischer. Sie
zupfte mit ausgemergelten Fingern an ihrer Decke herum. Er sah auf die Uhr, in fünf
Minuten würde jemand die Tasche hier holen. Schon war er wieder draußen.
Reza ging
zum Personallift, um zurück in sein Stockwerk zu fahren. Die Tür stand offen, vielleicht
einen Augenblick zu lang. Drinnen stand schon ein Pfleger, erkennbar an seinen blauen
Kleidern, der netterweise die Tür offen hielt. Reza drückte den Liftknopf, da schob
sich der Mann hinter ihn, legte mit Wucht den Unterarm an seinen Hals, etwas rammte
in seinen Rücken, ein Knie. Reza war kleiner als sein Angreifer und nicht darauf
gefasst. Sein Kopf wurde nach hinten gerissen, er hatte keine Chance, knackend brach
das Genick.
Der Panther
überlegte kurz. Das war ihm noch nie so passiert. Als erlebe er das Ganze als Zuschauer,
als handle ein anderer. Er vermisste etwas. Den Blutrausch.
Er hatte
den Lift im unbenutzten Zwischenstock angehalten, hatte ihn programmiert, die Stockwerktür
nicht zu schließen und nonstop in den untersten Keller zu fahren, hatte ihn jetzt
verlassen, mit dem Toten. Der Lift war nach unten verschwunden, die Türe zum Lift
hatte offen gestanden. Als er hörte, wie der Lift weit unten zum Stillstand kam,
blickte er in den Schacht. Nun beförderte er den Toten ihm nach. Es würde nach einem
Selbstmord mit Genickbruch aussehen. Den Aufprall wartete er nicht ab. Im Treppenhaus
entledigte er sich der sterilen Handschuhe, der blauen Kleider, steckte alles in
seine Umhängetasche. Im Erdgeschoss ging er in die zur Mittagszeit gut besetzte
Cafeteria, holte sich ein Birchermüsli, ein Mineralwasser und ein Rosinenbrötchen,
setzte sich so, dass er den Haupteingang und den Zugang zu den Liften im Auge hatte.
Er beobachtete Igor, den russischen
Antiquitätenhändler, wie dieser mit der Kühltasche in Richtung Ausgang tippelte.
Er sah immer russischer aus, das mochten die Drogen sein, die Drogen schienen seine
Persönlichkeit zu entblättern. Der Panther besuchte hin und wieder das Geschäft.
Mittlerweile kannte er sich recht gut aus in antiken russischen Ikonen. Natürlich
war er sich bewusst gewesen, wie schlecht Igors Gesundheitszustand mittlerweile
war, doch so, wie er jetzt Rumpf und Beine kaum zusammenbrachte, sah es erbärmlich
aus. Igor besuchte seine Bekannte regelmäßig, die aktuell wegen einer Operation
auf der Pflegeabteilung des Inselspitals lag. Den Gefrierschrank besaß Igor schon
lange, eben wegen des Stoffs. Er hatte ihm keine Wahl gelassen, diese Tasche zu
holen. Igor war auf seine Drogen angewiesen.
Er ging im dunklen niederen,
miserabel beleuchteten Laubengang der Postgasse, streifte die Lederhandschuhe über.
Er öffnete die schwere Hintertür und betrat den muffig riechenden Korridor, ließ
das steinerne Treppenhaus links liegen, bog durch einen kleinen Hof, betrat das
Hinterzimmer von Igor Ochlotzkys Geschäft durch die nächste Tür. Igor saß zusammengesunken
zwischen seinen massigen Vitrinenschränken auf seinem abgewetzten Gobelinstuhl an
seinem kostbaren kleinen Lacktisch mit den Perlmuttintarsien, bot eine erbärmliche
Figur mit seiner bläulich geäderten Pergamenthaut, ein Totengerippe. Nicht einmal
sein Zittern vermochte er zu unterdrücken, ein Wrack. Zuerst das Geschäft. Mühsam
stemmte sich Igor hoch, ging mit unsicheren Schritten zu seinem Kühlschrank, holte
ein Paket aus dem Gefrierfach, legte es auf den Tisch, angelte mühsam die blaue
Kühltasche hinter einer der Vitrinen hervor und versuchte jetzt, das Paket in die
Tasche zu schieben, was kläglich misslang, weil er diese nicht offen zu halten vermochte.
Beides kam dem Tischrand immer näher, bedenklich nah. Er musste eingreifen, es selbst
tun, sich bemühen, der Reißverschluss klemmte zunächst. Wie
Weitere Kostenlose Bücher