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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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widerlich, was für eine
erbärmliche, niedrige Kreatur war doch aus diesem Igor geworden. Mit allen Fasern
lechzte er nach der Droge. Endlich hielt er sie in seinen gierigen, schlotternden
Händen. Wenn das nicht schiefging. Er stützte ihn, damit er nicht stürzte, half
ihm, sich zurück in seinen Sessel zu setzen. Er musste ihm sogar mühsam helfen,
den Arm frei zu machen. Igor dankte keuchend, mit rasselndem Atem. Vorn im Geschäft
ging die Ladentür. Igor bemerkte es nicht in seiner Gier. Was für ein Risiko. Also
hieß es, die Spritze für ihn zu präparieren, hochzuziehen, im zerstochenen Arm eine
brauchbare Ader zu finden und die Spritze exakt zu setzen. Die Ladentür ging wieder.
Anscheinend hatte sich ein Kunde bloß umgesehen. Igor war dankbar, schon entspannten
sich seine Züge. Er würde nicht mehr erwachen.
    Er hat die
Tasche ergriffen und den schwer keuchenden Igor Ochlotzky auf dem gleichen Weg verlassen,
auf dem er gekommen war, durch den kleinen Hinterhof. In der Laube war niemand,
schon war er ein paar Schritte weg von der Tür. Niemand hatte ihn herauskommen sehen.
Er blickte auf die Uhr. Das Ganze hatte fünf Minuten länger gedauert als geplant.
Das ging ja noch.
     
    Er fühlte sich wohl auf der
dunklen Seite der Welt, so wie andere sich Gott nahe fühlten, wusste er sich in
seinem Nachtbewusstsein von Dämonen getragen. Seine berufliche Arbeit war nur als
Rahmen gedacht gewesen. Als Möglichkeit, sich in einer Gesellschaft einen Platz
zu geben. Mittlerweile liebte er sie fast, vielleicht hatte er sich auch nur auf
diese hinbewegt, die seinem Wesen entsprach. Sie gab ihm die Möglichkeit, sich auch
während des Tages mit der dunklen Seite der Menschen zu befassen. Das steigerte
seine eigene Dunkelheit. Seine Behörde mochte sich anstrengen, wie sie wollte, nie
würde sie ihr vorgegebenes Ziel erreichen. Die Drogen ließen sich aus keiner Gesellschaft
entfernen. Er sah es glasklar, die Drogen dienten dazu, nicht produktive Elemente
zunächst zu entdecken, dann ruhigzustellen, schließlich zu entfernen. Seine Behörde
hätte einzig die Aufgabe, diese Fäulnis in dunkle Winkel zu verdrängen.
    Es war nicht
bloß so, dass die Welt eben auf dem Dualsystem aufgebaut wäre, das eine könnte nicht
ohne das andere bestehen. Es ging um das Ganze, das eben entweder ein höheres Bewusstsein
hätte oder aber zu einem dunklen Loch des Nichts würde. Er fühlte ganz genau dämonische
Kräfte in sich, denen er bloß ein Werkzeug war. Er liebte es, diese Drogenwracks
schon nur anzusehen, das war Zerstörung, die wurden böse aus sich heraus, die zeigten,
was der Mensch war. Elendiglich zum Verrecken bestimmt. Ihnen war er überlegen,
denn er war der Vernichter.
     
    Die blaue Kühlbox umgehängt
ging er die Lauben hoch, schon nach dem Zeitglockenturm fühlte er sich sicher zwischen
den vielen Menschen, hier fiel er nicht auf. Auf der Höhe des Globusgeschäfts überquerte
er die Gasse. An der Ecke zum Ryffligässchen blieb er noch einmal stehen. Auch das
fiel nicht auf. Er schaute den sich eher gemächlich vorbeibewegenden Menschen zu.
Hier und dort stand einer, der auf jemanden wartete oder sich einfach eine Pause
gönnte. Bern war gemütlich. Jetzt beobachtete er das Gässchen, ein paar Passanten,
eine dieser Obdachlosen, die schon wieder hier am Boden kauerte, er würde nächstens
wieder einmal hier durchgreifen lassen, sie gehörten nicht in die Einkaufszone.
Nichts Ungewohntes. Kurz stellte er sich vor das Schaufenster des Musikgeschäftes.
Vor allem Keyboards, der Hinweis auf klassische Flügel und Pianos im oberen Stockwerk,
eine Reihe Holzflöten. Er sah nicht hin, suchte weiter das Gässchen ab, im Fensterspiegel
und sich umblickend. Niemand war ihm gefolgt. Ein paar Schritte, er zog den Hausschlüssel,
blickte sich noch einmal scheinbar zufällig um, fasste mit der jetzt wieder behandschuhten
Hand nach der Türklinke und war schon im Hauseingang, das Türschloss schnappte hinter
ihm ein. Er befand sich in einem winzigen quadratischen Korridor, an der Seite war
eine schmale Lift-Tür. Nirgends eine weitere Tür oder ein Treppenhaus. Er betrat
den engen, schäbigen Lift, steckte einen weiteren Schlüssel seines Schlüsselbunds
in das Schloss oberhalb der vier Knöpfe. Der Lift ohne Rückwand fuhr ruckend hoch,
an der fehlenden Seite schien die Wand nach unten zu fahren. Er fuhr am dritten
Stock vorbei, stand weiter oben still. Er betrat durch die offene Seite einen halbdunklen,
leer wirkenden Raum,

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