Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
hässliche Kuh erinnern. Gary war der Meinung, Francis sei so gut wie tot
wegen dieser Pläne. Da ein Mordbefehl erteilt sei, sei das erst mit dem Tod erledigt.
Hier fiel Lucius ein: »Es ist in der real existierenden Welt genau wie in ihren
Spiegelungen, den Agentenromanen, ein beliebter Trick: Da gibt es einen Abschiedsbrief,
die Kleider liegen am Ufer eines Wassers, das keine Leichen zurückgibt, meist liegt
eine leere Tablettenschachtel neben einem Revolver. Dann kommen die Aussagen aus
dem Umfeld des Verschwundenen, der Betreffende habe an Depressionen gelitten – da
kommt keine Polizei dagegen an.« Gary meinte bewundernd: »Das ist die Lösung. Die
von der Polizei sind glücklich, wenn sie keinen Mord und vor allem keine Leiche
haben und wenn diese plausibel verschwunden ist.« Auch Pamela war sofort überzeugt:
»Depression ist heute üblicher als Zahnschmerzen.« Lucius meinte etwas zynisch:
»Vor allem den Hinterbliebenen bleiben einigermaßen die Vorwürfe erspart. Möglicherweise
sind alle nie gefundenen Wasserleichen eben bloß fingierte Leichen, nicht dort gewesen,
nicht umgekommen.« Er biss sich auf die Lippen. Nein, lustig war das nicht. Francis
sagte kein Wort. Er sass da, sein Gesicht war gespenstisch weiß, auf seiner Stirn
standen kleine Schweißperlen. Jetzt redete wieder Gary. Er habe das mit Pamela besprochen.
Er allein übernimmt Francis. Sonst darf es keinen etwas angehen. Wer nichts weiß,
kommt nicht in Gefahr. Ein fingierter Tod, und darum geht es, kann nur durchgezogen
werden, wenn anschließend keinerlei Kontakte mehr bestehen. Francis verschwindet
spurlos, für immer.
Hatte ich
nicht genau das gewusst? Doch es ist besser als der Tod. Ich werde nicht wissen,
wie und wo. Wenn klar ist, er ist nirgends mehr, wenn er vermisst wird, werde ich
das Wilma als neueste Neuigkeit mitteilen. So ist offensichtlich, dass ich überrascht
wurde, in keiner Weise beteiligt bin. Ich werde befürchten, alles könnte für ihn
zu viel geworden sein, er habe depressiv gewirkt. Dann ist er schon nicht mehr einzuholen.
Hart wie mein Vater, nicht in die Knie zu zwingen.
Endlich konnte ich einmal anwenden,
eins zu eins, was ich so gut kann. Ich hackte den Rest des Abends auf Leben und
Tod. Ich hackte mich ein in die Pläne der Klinik, die Einsatzpläne des Personals,
die Belegungslisten – das waren Peanuts. Fast ebenso sportlich war es, unbemerkt
und nie erkennbar in die technischen wie die personellen Sicherheitspläne und -vorkehrungen
einzudringen. Wirkliches, aber wirklich wirkliches Können war nötig, um die Codes
zu ihren Einstellungen zu finden und zu knacken. Doch es ist überall das Gleiche,
es sind Menschen am Werk. Einer ist immer entweder ungenau oder faul oder nicht
ganz auf der Höhe des nötigen Know-hows, irgendeinen Fehler macht er. Die Schwachstelle
hier lag in der Energieversorgung, eine Fehlermöglichkeit bei der Umstellung auf
Notstrom. Also hatten wir den Zugang. Und beim Code war einer schlicht faul gewesen,
hatte den Scheincode genommen. Weil es besser ist, absolut keine technischen Verbindungen
zu benutzen, planten wir einen sekundengenauen Zeitplan, der wie das Rädchen eines
Uhrwerks in die Klinikabläufe einhakte. Ich würde dies von außen kontrollieren und
manipulieren können. Mit kleinen Zeitpolstern. Bei einer überraschenden, wirklich
großen Panne würde Lucius drinnen auf eigene Faust handeln. Gary wäre in der Nähe.
Keine weiteren Mitwisser.
7
Countdown
Reza hatte planmäßig gehandelt.
Er musste davon ausgehen, dass es sich bei dem Stoff, der jetzt in diesem Paket
in seinem Tiefkühler bei minus 30 Grad zwischenlagerte, um einen biologischen Kampfstoff
handelte, Viren eben. Es würde ihn erregen. Was genau es war, brauchte er nicht
zu wissen, und er hütete sich, auch nur daran zu denken, das Paket zu öffnen. Es
musste der richtige Ort und die richtige Zeit sein. Die Organisation war gnadenlos
wie er. Sie würde diese Kostbarkeit nicht verschwenden. Sie würde mit einer Explosion
verbunden ihre größtmögliche Wirkung erreichen. Eine tödliche Wolke, die beim ersten
Atemzug Hunderte umbrächte, und in der in den nächsten zehn Minuten Tausende krepierten.
An einem Ort, dass so viele auf einen Schlag erreichbar wären. Also sicher nicht
in seinem Zimmer, doch jetzt, da der Stoff hier war, ging es unausweichlich auf
diesen Punkt hin. Er wollte das so und freute sich. Endlich war sein Kampf da, für
ihn und seine Gruppe ein Heiliger Krieg. Falls er dabei
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