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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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garantiert ohnehin nicht Unsterblichkeit, denn jedes Wesen ist tötbar: Es kann durch äußere Umstände ausgelöscht werden. Außerdem folgt das Ende allen Lebens aus dem zweiten Hauptsatz der
Thermodynamik
, der Wärmelehre: Unumkehrbar nimmt nämlich die
Entropie
zu, die
physikalische Unordnung
, also, vereinfacht gesagt, die Gleichverteilung von Materie und Energie im Universum. Um sich das zu veranschaulichen, muss man nur einen Eiswürfel in ein Glas mit Wodka geben und warten, bis er sich auflöst. Vorher hatten Eis und Alkohol einen hohen
Ordnungszustand
: Jetzt sind beide Substanzen bei gleicher Temperatur gleichmäßig vermischt.
    Da sich Energien zwischen allen Stoffen auf diese Weise austauschen, kann dem Universum der
Wärmetod
bevorstehen: Irgendwann sind Materie und Energie so gleichmäßig verteilt, dass Temperaturunterschiede oder die potenzielle Energie der Materie nicht mehr in gerichtete Bewegung umgewandelt werden können. Leben kann schon lange zuvor nicht mehr existieren, denn Lebewesen sind besonders
ordentliche
, also komplexe Energieprozesse. Sie widersetzen sich zwar der Entropiezunahme, doch nur innerhalb ihrer kleinen Biosphäre: Um unsere Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten, stellen wir Unordnung her: Wir verdauen Pflanzen und Tiere zu Kot, verbrennen Erdöl und Kohle zu Kohlenstoffdioxid und geben bei jeder Bewegung Reibungswärme ab. Dabei entsteht viel Entropie. Unsere Ordnung erhalten wir also auf Kosten größerer Unordnung. Hat die Unordnung im Universum einen Punkt überschritten, ist es nicht mehr bewohnbar.
     
    So wie das Sterben ist auch noch unverstanden, was eigentlich genau ein Lebewesen ist. Hier sind die definierenden Merkmale ebenfalls umstritten, was sich unter anderem in der Frage äußert, ob Viren überhaupt Lebewesen sind. Sie enthalten zwar Gene, haben aber keine Zellstruktur und keinen unabhängigen Stoffwechsel. Als Merkmal des Lebens gilt typischerweise das Zusammenspiel von Wachstum, Fortpflanzung, Stoffwechsel, Selbstregeneration und Bewegung. Doch es ist fraglich, ob wir beispielsweise Maschinen als Lebewesen behandeln würden, wenn sie all diese Kriterien erfüllten.
    Ganz gleich, wie weit man den Begriff des Lebens fassen will: Lebewesen unterscheiden sich von unbelebten Dingen vor allem darin, dass sich ihre Bestandteile, also die Zellen, verändern und austauschen. Auch unbelebte Gegenstände können aufhören zu existieren: Ein Stein kann zerbröseln, eine Holzhütte verrotten. Organismen zählen zwar auch zu den physischen Gegenständen, aber sie existieren, grob gesagt, als
Funktionsprozesse
: Nur durch die kontinuierliche Veränderung einzelner Zellen hält sich das Ganze im Gleichgewicht.
    Menschen sind eine besondere Art von Organismen, nämlich Personen, also Wesen mit Bewusstsein, Vernunft und Erinnerungen. Diese geistigen Fähigkeiten hängen von der Funktionsweise des Hirns ab. Wenn das nicht mehr funktioniert, hören wir auf zu sein. Das liegt in der Natur, vermutlich sogar in unseren Genen. Doch nicht alles in der Natur ist gut. Wie ist es beim Tod?

Gut, schlecht, egal
    «Der Tod ist Entertainment, weil er uns alle angeht. Wir wollen nicht wissen, wann, wir wollen nicht wissen, wie, aber er ist unser Schicksal. Wir müssen alle sterben», sagt der Rapper Curtis James Jackson  III , besser bekannt unter seinem Künstlernamen « 50  Cent», in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin
Der Spiegel
. Er steht damit in einer langen philosophischen Tradition, die von Sokrates und Epikur über Nietzsche und Camus bis in die Gegenwart reicht. Sie alle haben darüber nachgedacht, welche Rolle der Tod für das Leben spielt.
    Drei Haltungen dem Tod gegenüber kann man unterscheiden: die
positive
, die sagt: «Erst der Tod gibt dem Leben eine Bedeutung», die
negative
, die sagt: «Der Tod ist ein Übel», und die
neutrale
, die sagt: «Der Tod geht uns nichts an.» Die neutrale Position scheint zuerst weit hergeholt, immerhin haben Menschen Angst zu sterben, und immerhin ist der Tod ein großes, wenn auch manchmal tabuisiertes Thema in allen Kulturen. Wie kann man dann behaupten, der Tod sei egal?
    Zur Verdeutlichung dieser Haltung ein Beispiel: Vor vielen Jahren hatte ich eine Operation unter Vollnarkose. Schon auf der Fahrt durch die Krankenhausflure war ich von den Beruhigungsmitteln benommen. Im Operationssaal setzte dann die Narkose ein, und die Welt verschwand. Als ich im Krankenzimmer erwachte, war das Letzte, woran ich mich noch erinnern

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