Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
Vom Netzwerk:
Das Wort «und» verbindet zwei Sätze und macht daraus einen neuen. Der neue Satz ist nur wahr, wenn beide Teilsätze wahr sind. Offenbar ist genau das der Anteil an Bedeutung, den «und» zu einem Satz beisteuert.
    Davidson betont, dass Bedeutung und Wahrheit zusammenhängen, seine Theorie jedoch kein realistisches Modell der Sprachverarbeitung darstellt, wir also beim Zuhören nicht ständig darüber grübeln, unter welchen Bedingungen die Sätze des Gegenübers wahr sind. Dennoch haben Davidson und andere Bedeutungstheoretiker immer mehr Teile der natürlichen Sprache in den formalen Code der Logik übersetzt. Der Ansatz funktioniert zum Beispiel gut für Zahl- und Mengenwörter wie «drei», «alle» oder «einige». Auch die Zeitformen kann man formal darstellen. Wer sagt: «Es war schon dunkel, als ich nach Hause kam», trifft seine Äußerung in der Gegenwart und sagt, dass die Dunkelheit vor der Heimkehr und die Heimkehr vor der Äußerung auftrat.
     
    Viele sprachliche Phänomene bereiten Philosophen und Linguisten bis heute Kopfzerbrechen. Ein Problemfall ist der
Irrealis
, also das «hätte» und «wäre». Die folgende Anekdote soll der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton erzählt haben: Seine Frau Hillary und er hatten einen Jugendfreund von Hillary getroffen, der damals als Tankwart arbeitete. Bill zu Hillary: «Stell dir vor, wenn du ihn geheiratet hättest, wärst du jetzt die Frau eines Tankstellenbesitzers.» Darauf Hillary: «Nein, dann wäre er jetzt Präsident.»
    Beide Aussagen könnten wahr sein. Wer hat recht? Der amerikanische Philosoph David Lewis, der in Fachkreisen als der scharfsinnigste Philosoph des letzten Jahrhunderts gilt, hat vorgeschlagen, Sätze dieser Art mit Hilfe
möglicher Welten
zu analysieren. Mit «Er wäre jetzt Präsident» sagt Hillary Clinton so viel wie: «Es gibt eine andere mögliche Welt, in der er jetzt Präsident ist.» Nun muss man nur noch die möglichen Welten von Bill und Hillary Clinton miteinander vergleichen. Es gewinnt diejenige erdachte Welt, die der unsrigen am ähnlichsten ist. Ist die Abweichung stark, heißt das nichts anderes, als dass es auch aufwendiger und damit unwahrscheinlicher wäre, dass sich unsere Welt so entwickelt hätte. Wer also die nächstmögliche Welt beschreibt, hat recht. Lewis hat seinen Ansatz technisch bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Umstritten ist allerdings bis heute, woran man die Ähnlichkeit von Welten genau festmachen soll.
    Ein anderes vieldiskutiertes Problem entspringt der Unschärfe unserer Begriffe. Ein Beispiel: Harry hat volles Haar, Karl eine Glatze. Der Satz «Harry ist glatzköpfig» ist also falsch, «Karl ist glatzköpfig» hingegen wahr. Würden Harry nun nach und nach die Haare ausfallen, wäre er irgendwann so glatzköpfig wie Karl. Auf dem Weg dorthin wird es Fälle geben, bei denen wir nicht genau sagen können, ob Harry schon glatzköpfig ist. Kaum ein Begriff zieht nämlich eine scharfe Grenze, die zum Beispiel festlegt: «Wer weniger als 4135 Haare hat, ist glatzköpfig.» Doch kann der Satz «Harry ist glatzköpfig» dann in Grenzfällen überhaupt eindeutig wahr oder falsch sein? Einige sagen, das sei unbestimmt, andere, man müsse die Aussage präzisieren, wieder andere, dass es zwar immer eine Antwort gebe, wir sie aber nicht wissen können. Dieses Problem nennt man das der
Vagheit
der Begriffe. Auch wenn solche Beispiele zuerst nach Haarspalterei klingen, streiten sich die Gelehrten bis heute, wie sie zu lösen sind.
    Es scheint, als stoße die formale Bedeutungstheorie irgendwann an ihre Grenzen. Ohnehin geht es darin vor allem um die wörtliche Bedeutung: den Beitrag einzelner Wörter zur Satzbedeutung. Doch unsere Sprache hat noch mehr zu bieten: Was ist mit Andeutungen und Anspielungen, Metaphern und Mehrdeutigkeiten, Witzen und Wortspielen, mit alldem, was unsere Kommunikation und vor allem Literatur und Dichtung so besonders macht? Mit diesen Phänomenen beschäftigt sich vor allem die Pragmatik, die Theorie der Sprachverwendung.

Die Spiele der Kommunikation
    Als der englische Sprachphilosoph John L. Austin in einem Vortrag an der Columbia University in New York sagte, eine doppelte Verneinung ergebe immer eine Bejahung, aber eine doppelte Bejahung niemals eine Verneinung, rief sein amerikanischer Kollege Sidney Morgenbesser aus dem Publikum: «Ja, ja.»
    Morgenbessers Witz spielt mit dem Unterschied zwischen Semantik und Pragmatik, oder anders gesagt: zwischen

Weitere Kostenlose Bücher