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Folge dem weißen Kaninchen

Folge dem weißen Kaninchen

Titel: Folge dem weißen Kaninchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Hübl
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Meine Täuschung setzt schon mich als Getäuschten voraus. Das «ich denke» sei daher das unbezweifelbare Fundament des Wissens. Um getäuscht zu werden, muss ich schon denken können.
     
    Schon wieder Kino: Ein paar Jahrhunderte später, im Jahr 1999 , verfilmten Andrew und Lana (vormals Laurence) Wachowski Descartes’ Zweifel und Platons Höhlengleichnis erfolgreich unter dem Titel
The Matrix
. Der Programmierer Neo hatte schon immer die Ahnung, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Eines Tages erscheint auf seinem Computerbildschirm die Nachricht «Folge dem weißen Kaninchen!», das er kurz darauf auf der Schulter einer Frau erblickt, die ihn zu Morpheus führt. Morpheus sagt: «Die Welt wurde über deine Augen gezogen, um dich blind zu machen für die Wahrheit.» Und weiter: «Du bist ein Sklave», in «Fesseln» im «Gefängnis deines Geistes». Neo schluckt die rote Pille und wacht in einem mit Flüssigkeit gefüllten Tank auf, aufgereiht neben Tausenden anderer Menschen. Das Computerprogramm Matrix täuscht wie der böse Dämon all diesen Menschen eine gemeinsame Realität vor. Sie glauben, im Jahr 1999 zu leben. Tatsächlich liegen sie in Behältern mit Nährlösungen in einer fernen Zukunft.
    Die Idee eines Menschen im Ernährungstank stammt aus der Feder des amerikanischen Philosophen Hilary Putnam, der in einem Gedankenexperiment Descartes’ Idee des Täuschers kritisiert. Putnam argumentiert ungefähr so: Wir nehmen nur deshalb an, dass die Felsen vom Mount Rushmore die Köpfe von vier amerikanischen Präsidenten darstellen, weil wir wissen, dass sie nach ebendieser Vorlage in den Fels gehauen wurden. Beim «Marsgesicht» sagen wir etwas anderes: Es sieht bloß so aus,
als ob
es einen Kopf darstellt.
    Nur wenn eine kausale Verbindung zu einem Objekt besteht, kann man überhaupt sagen, dass Skulpturen und Bilder dieses Objekt darstellen oder Sätze darüber etwas aussagen. Würde aber jemand in einem Tank mit Nährflüssigkeit liegen, könnte er gar keine Eindrücke von Autos, Häusern oder Menschen in eleganten schwarzen Anzügen haben, geschweige denn Gedanken darüber, weil er niemals in Kontakt mit ihnen war. Das Wort «Sonnenbrille» wäre bedeutungslos, der Gedanke «Ich kann Kung Fu» inhaltsleer. Radikale Täuschung ist Putnam zufolge also unmöglich. Diesen Ansatz nennt man
Externalismus
, weil er betont, dass für unsere Gedanken und Überzeugungen die Verursachung von außen notwendig ist.
    Man kann Putnams Einwand noch präziser formulieren: Jede Illusion setzt schon eine Wirklichkeit voraus. Nur weil im Film
The Matrix
die bösen Maschinen einmal in Kontakt mit Sonnenbrillen und dunklen Anzügen waren, konnten sie diese später in einem Programm imitieren. In der kausalen Kette zwischen den Objekten der echten Welt und der Simulation dieser Objekte in der Matrix stellen die Maschinen also das Bindeglied dar.
     
    Diesen Punkt übersehen auch die Anhänger des
Radikalen Konstruktivismus
, die behaupten, unser Gehirn nehme lediglich «Eigenbeschreibungen» vor, weshalb die Realität eine bloße «Konstruktion» sei – eine These, die sowohl in der Neuro- als auch in der Kulturwissenschaft Zuspruch findet. Manchmal klingt das so, als sei mit «Konstruktion» gemeint, dass gar nichts außer dem eigenen Bewusstsein existieren würde. Diese schräge Auffassung nennt man traditionell
Solipsismus
. Den Solipsisten kann man nicht widerlegen, allenfalls im Irrenhaus kurieren, wie Schopenhauer einmal bemerkte. Man fragt sich allerdings sofort, ob wenigstens die Gehirne existieren, von denen die Konstruktionen ausgehen.
    Wie viele vor ihnen verwechseln auch die Konstruktivisten Wahrnehmungserlebnisse mit Überzeugungen. Ganz gleich, ob wir die Welt auch ganz anders «sehen» können, in der Theorie des Wissens geht es um den Inhalt von Aussagen und Überzeugungen. Elektronen beispielsweise sind negativ geladen, ganz gleich, ob wir sie nun sehen oder nicht. Ein Farbenblinder sieht die Welt anders als ich, aber wir können beide denken, dass es regnet. Ebenso können wir auf mehreren Wegen zu der Überzeugung kommen, dass Deutschland eine Demokratie ist: indem wir es hören, geschrieben sehen oder gar über die Braille-Schrift erfühlen. Aber dadurch konstruieren wir diese Tatsache nicht. Sie besteht ja gerade unabhängig vom Modus der Wahrnehmung.
    Sehen mit Wissen zu identifizieren geht ebenfalls auf Platon zurück. Er behauptet, dass es Wahrheiten jenseits der Sprache gibt: Der Philosoph müsse

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