FOOD CRASH
Empfindlichkeit des Ökosystems in der Arktis nicht davor abschreckt, dort die Erdölgewinnung voranzutreiben, zeigen, dass es mit der Verfügbarkeit zu Ende geht. Es kann aber doch niemand ernsthaft glauben, dass wir den Rückgang der Erdölförderung einfach durch den verstärkten Anbau von Energiepflanzen auf dem Acker wettmachen können. Dass wir also jetzt, nachdem wir unter dem Boden alles abgeräumt haben, munter dazu übergehen können, über dem Boden abzuräumen!
Es gibt viele verschiedene Methoden, aus Pflanzen Energie zu erzeugen. Die älteste ist das Verfüttern von Gras und gegebenenfalls Hafer an Zugtiere. [19] Im weltweiten Maßstab entfällt auf die Gewinnung von Ethanol durch die Vergärung von Mais, Zuckerrohr und auch aus Soja der bedeutendste Teil der landwirtschaftlichen Energieproduktion. Bei uns sind die Gewinnung von Methangas aus Biogasanlagen und die Produktion von Biodiesel aus Raps am wichtigsten. In tropischen Ländern werden für diese Art Treibstoff Palmölplantagen angelegt oder, in trockeneren Regionen, Jatropha angebaut. Es gibt dann noch die Verbrennung von biogenen Feststoffen. Dazu zählt die Verbrennung von Pflanzen oder Pflanzenteilen – wie beispielsweise von Getreide, von Hackschnitzeln oder von Pellets aus Miscanthusgras und anderen in Plantagen auf dem Acker angebauten Energieträgern in Heizungsanlagen. Manche räumen der Erzeugung von Treibstoff im sogenannten »Biomasse to Liquid (BtL)«-Verfahren große Zukunftschancen ein. [20]
Es würde am Thema dieses Buches vorbeigehen, eine detaillierte Bewertung des Bioenergiesektors vorzunehmen. Es ist mir allerdings daran gelegen, ein Missverständnis auszuräumen, dem ich nicht selten begegne. Mit Biolandwirtschaft, also Ökologischen Landbau, haben die Begriffe Biogas, Bioenergie und Konsorten nichts zu tun. Sie kennzeichnen nur die pflanzliche Herkunft der Rohstoffe. Der Bezug zu unserem Thema liegt darin, dass die Produktion von Bioenergie im Wesentlichen auf eine Weise geschieht, die eine direkte Konkurrenz zur Nahrung darstellt: Auf Flächen, auf denen Mais für Ethanol angebaut wird, könnte auch Weizen für Brot wachsen. Darüber hinaus hat der Anbau dieser Rohstoffe unmittelbare Auswirkung auf die ökologischen Grundlagen unserer Lebensmittelerzeugung. So fördern Mais-Monokulturen die Erosion und mindern so die langfristige Ertragskraft der Böden. Und wenn Urwald umgebrochen wird, um dort Palmölplantagen zu errichten, dann vernichtet das Biodiversität und vermindert den Anteil an organischer Substanz im Boden. Letzteres geschieht, weil durch die Unterbrechung des natürlichen Nährstoffkreislaufs des Urwaldes Humus abgebaut und damit riesige Mengen an CO 2 freigesetzt werden.
Um die Dimension dieser Wirkungen zu verdeutlichen, will ich mich auf die Ethanolproduktion und die Entwicklung der Biogasproduktion konzentrieren.
Alkohol im Straßenverkehr:
Ethanol als Treibstoff
In 2011 werden weltweit 88,7 Mrd. Liter Ethanol produziert. Tendenz: stark steigend.
Den größten Anteil daran haben die USA mit 51 Mrd. Liter. 2010 waren es dort noch 45 Mrd. Liter. Der Ausgangsstoff ist dort im Wesentlichen Mais, während in Brasilien, dem zweitgrößten Ethanolproduzenten, vor allem Zuckerrohr Verwendung findet.
Um eine Einschätzung vornehmen zu können, welche Bedeutung diese Zahlen in Bezug auf die weltweite landwirtschaftliche Produktion haben, könnte man vereinfachend folgende Rechnung anstellen:
Um einen Liter Ethanol herzustellen, braucht man 2,4 kg Körnermais (Frischmasse). Für 88,7 Mrd. Liter braucht man 212,88 Mrd. kg Körnermais, also 212,88 Mio. Tonnen. Auf einem Hektar kann man – gute Böden und Wasserversorgung vorausgesetzt – neun Tonnen Körnermais (Frischmasse) erzeugen. Das bedeutet, dass man 23,65 Mio. Hektar Land braucht, um diesen Mais zu erzeugen. Das entspricht ungefähr dem Doppelten der Ackerfläche der Bundesrepublik Deutschland!
Wenn man von einem durchschnittlichen Weizenertrag von sechs Tonnen pro Hektar und Jahr (getrockneter Weizen) ausgeht, so bedeutet das, dass auf dieser Fläche 142 Mio. Tonnen Weizen pro Jahr geerntet werden könnten. Das ist ungefähr das Fünffache der Versorgungslücke, die sich im Schnitt der beiden Krisenjahre 2007 und 2008 zwischen Erzeugung und Verbrauch aufgetan hat.
Daraus ist ersichtlich, dass es trotz aller gegenteiligen Beteuerungen schon jetzt einen erheblichen Einfluss des Energiepflanzenanbaus auf die Versorgung der Welt mit Nahrungs-
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