FOOD CRASH
Einfluss in einem Ministerium jetzt wohl schwinden würde, in dem sie über Jahrzehnte sozusagen mitregiert hatten. Beim Bauerntag in Münster im Juli 2001 musste die neue Ministerin gegen ein Pfeifkonzert anreden und mit ansehen, wie Künast-Puppen verbrannt wurden.
Umso wichtiger war für sie, den Bauern etwas anbieten zu können, das sie nicht als Beschränkung und Beschneidung ansehen würden. Das im April 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz ( EEG ) steckte ihr diesen Trumpf ins Blatt. Damit konnte sie den Bauern landauf, landab versprechen, sie würden die Ölscheichs des 21. Jahrhunderts werden. Denn auf ihren Äckern würde künftig die Wertschöpfung stattfinden können, an der bislang nur die neureichen Wüstenbewohner teilhatten. Ich habe damals oft mit Bauern gesprochen, die mir vollmundig versicherten, Künast habe ihnen ganz schlimm geschadet (wobei übrigens keiner auf meine interessierte Rückfrage, auf welche Weise das geschehen sei, eine Antwort wusste). Aber eine Einschränkung müsse man doch machen: Mit dem EEG habe sie den Bauern doch sehr geholfen.
Doch leider glänzt die Medaille dieses Ehrenpreises nur auf der einen Seite. Ihre stumpfe Gegenseite wird in den letzten Monaten und Jahren immer deutlicher. Es zeigt sich, dass in der Euphorie des bäuerlichen Ölbooms erhebliche Fehler gemacht wurden. Diese Fehler hat zwar die damalige rot-grüne Regierung – und somit auch Künast – politisch zu verantworten. Aber ich habe auch nicht in Erinnerung, dass wir als die Vertreter des Ökologischen Landbaus oder unsere Kollegen in den Umweltverbänden damals verstanden hätten, wie weit das Geschoss übers Ziel hinaus geraten würde. Zehn Jahre später müssen wir nun feststellen, dass die Biogasanlagen in vielen Gegenden Deutschlands so zahlreich aus dem Boden gestampft wurden, dass die sie umgebende Landschaft zu veritablen Maiswüsten verkommt. Die Rückführung des Gärsubstrates findet oft nicht flächendeckend, sondern – wegen der hohen Transportkosten – in der Nähe der Anlagen statt. Dann sind die Felder um die Anlage herum überdüngt, während die weiter weg liegenden mit Kunstdünger (mineralischer Stickstoffdünger) produktiv gehalten werden müssen. Die mit Mais-Monokultur bestellten Äcker – dort, wo also Jahr für Jahr und ohne Fruchtwechsel Mais angebaut wird – büßen Bodenfruchtbarkeit und Humus ein, weil Boden durch Erosion abgetragen und organischer Substanz nicht ausreichend ersetzt wird. Solche Landschaften bieten weder ein vielfältiges Landschaftsbild noch einen Lebensraum für Pflanzen und Tiere (außer für Wildschweine, die sich ihr eigenes Maislabyrinth anlegen, in dem sie kein Jäger findet).
Immer deutlicher wird zudem, dass die Förderung, die durch das Einspeisungsentgelt für Biogas-Strom an den Bauern fließt, zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung zwischen »normalen« Bauern und den Produzenten von Energiemais geführt hat. Das hat unter anderem die Konsequenz, dass von Letzteren Pachtpreise gezahlt werden können, bei denen die Erstgenannten nicht mehr mithalten können. So wird ausgerechnet der Ökolandbau zum Verlierer in der Konkurrenz um Anbauflächen. Ökobauern können nämlich vieles sehr gut, nur können sie kein billiges Futter für Biogasbakterien erzeugen. Je nach Rechengang, Hektarertrag und einzukalkulierendem Marktpreis für Getreide ergibt sich ein Subventionseffekt für Biogas-Mais zwischen 1000 und 2000 Euro pro Hektar. Das ist das Zehnfache dessen, was – je nach Bundesland – an Prämien an die Biobauern gezahlt wird, damit diese ihre umweltschonende Wirtschaftsweise ausüben.
Auch dem Anbau von Raps für die Gewinnung von Öl, das dann dem Dieseltreibstoff beigemischt wird, sind hohe Subventionen zuzurechnen. Doch wenigstens ist Raps nicht so »selbstverträglich« wie Mais. Gemeint ist damit Folgendes: Raps kann man nur in stetigem Wechsel mit anderen Kulturen anbauen, sonst nimmt der Befall mit Krankheiten und Schädlingen überhand. Mais hingegen kann man über Jahre auf demselben Acker anbauen, ohne dass sich dadurch ähnliche Probleme entwickeln – vom schädlichen Schmetterling Maiszünsler und seinen Verwandten abgesehen, von denen sehr viel später noch die Rede sein wird. Die Konzentration auf den Anbau nur einer Pflanze auf riesigen Flächen, die immer mehr als eine »Vermaisung« der Landschaft beklagt wird, hätte man unter Anwendung eines einzigen Hebels verhindern können und könnte
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