FOOD CRASH
und Dumpingexport ist ein System von produktunabhängigen, an die Fläche gebundenen Zahlungen getreten. Es gibt keine Interventionslager mehr, die mit Hilfe von Exporterstattungen geleert werden müssen, und selbst in Katastropheneinsätzen versucht man jetzt, die zu verteilenden Lebensmittel auf den einheimischen Märkten zu besorgen. Gerade den ärmsten Ländern wird ein privilegierter Zugang auf den Europäischen Markt geboten – z.B. für Zucker.
Das jedenfalls hört man zur Beruhigung der Kritiker durch die Verantwortlichen in Politik und Interessensverbänden. Doch leider stimmt das nur zum Teil. Denn als im Jahr 2008 die europäischen Schweinepreise ebenso in den Keller gerauscht waren wie die Milchpreise, wurde die Exporterstattung flugs wieder aus der Mottenkiste gekramt. »Nichts davon ging in arme Entwicklungsländer«, versicherte Agrarministerin Aigner immer wieder.
Doch offensichtlich ist es angesichts globalisierter Märkte unmöglich, die Wirkung von Dumpingexporten auf bestimmte Zielländer zu beschränken. Und so beklagen die Vertreter von Entwicklungshilfeorganisationen, dass nach wie vor gerade die Bauern der ärmsten Länder es nicht schaffen, eine Produktion für den einheimischen Markt auf die Beine zu stellen. Denn für sie ist es unmöglich, gegen die großen Agrarexporteure und ihre Marktmacht anzukommen.
Derzeit werden jedes Jahr 365 Milliarden Euro von Mitgliedsstaaten der
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OECD für verschiedenste Stützungsmaßnahmen ausgegeben. Damit stammen 21 % der Einnahmen dieser Landwirte aus staatlichen Zahlungen. Das jedenfalls geht aus dem Bericht »Agricultural Policies in OECD Countries« hervor, den die Organisation 2009 in Paris veröffentlichte. Der überwiegende Anteil dieser Zahlungen habe in den Jahren 2006 bis 2008 noch direkt marktverzerrende Wirkung gehabt.
Aber selbst, wenn keinerlei Zahlungen mehr an Produkte wie Reis, Zucker oder Rindfleisch gekoppelt wären, würde das Problem für bestimmte Länder bestehen bleiben. Und zwar für die, die es sich nicht leisten können, ihren Bauern mit staatlichem Geld unter die Arme zu greifen. Denn jeder Dollar, jeder Euro, der in den Industrienationen an die Bauern gezahlt wird, ermöglicht, mit geringeren Kosten zu produzieren. Billiger, als ein Kollege in einem der anderen Länder je produzieren könnte.
Nur wenn keine reinen Einkommen-Stützungen gezahlt, sondern die Bereitstellung sonstiger öffentlicher Güter entlohnt werden, entsteht dieser Effekt nicht. Wenn also ein oberbayerischer Bauer eine Prämie bekommt, weil er mit seinen Kühen eine Alm beweidet, wenn jemand Geld dafür bekommt, dass er Hecken anlegt und pflegt oder durch den Verzicht auf Pestizide und synthetische Düngemittel das Grundwasser schont, wird er für eine Mehrleistung an die Allgemeinheit entlohnt. Dann bleibt die schädigende Wirkung der Subventionen für Bauern in Drittländern aus.
Die Frage der Subventionen hat ja schon eine Rolle gespielt, als wir die Bedeutung des Energiepflanzenanbaus für die Verfügbarkeit von Lebensmitteln diskutiert haben. Und wir werden sie noch ein drittes Mal aufgreifen müssen, wenn es im letzten Kapitel um die politischen Hebel geht, mit denen Lösungen herbeizuführen sind.
Ich hoffe, dass ich zeigen konnte, dass auch die Agrarsubventionen der Industrienationen erheblichen Anteil daran haben, dass dort nicht genug produziert werden kann, wo Hunger herrscht. Hinzuzufügen bleibt, dass unsere unfaire Subventionspolitik auf zweierlei Weise wirkt: Erstens bringt die unmittelbare Bremswirkung von zu geringen Marktpreisen die Bauern dazu, nur noch für den Eigenbedarf, nicht aber mehr für den Markt zu produzieren. Zweitens – wie schon am mexikanischen Beispiel gezeigt – unterbleiben in einer solchen Situation auch die Investitionen, die für eine Entwicklung der Landwirtschaft nötig sind. Moderne Land- und Lagertechnik, Transportkapazitäten, Straßen und Brücken – all das kann nur beschafft werden, wenn Bauern durch Erzeugung von Überschuss Geld einnehmen und wenn durch Verarbeitung und Handel mit diesen Überschüssen zusätzliches Einkommen entsteht.
Wie zu Lande, so zu Wasser
Auch wenn die Frage im Vordergrund steht, wie Land bewirtschaftet werden muss, damit sich dauerhaft alle Menschen ausreichend und gut ernähren können, muss im selben Zusammenhang zwingend auch über Fischerei und den Zustand der weltweiten Fischbestände gesprochen
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