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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix zu Löwenstein
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Erde gegraben wird, trägt tatsächlich zu dem bei, was wir produzieren. Der Rest verschmutzt entweder irgendwo das Wasser, reichert sich in Böden an oder füllt die Deponien. [71] Dass sich die Fachleute darüber streiten, ob angesichts der Entwicklung von Produktion und Verbrauch die Phosphatvorräte in 20, 50 oder in 150 Jahren zur Neige gehen, kommt mir ziemlich irrelevant vor. Unser Hof ist seit 500 Jahren in unserer Familie – wie könnte ich da auf die Idee kommen, die Aussicht, noch 150 Jahre zurechtzukommen, sei beruhigend? Oder dass wir so lange fortführen – oder gar intensivieren – dürften, Millionen von Tonnen des zur Neige gehenden Rohstoffes in die Weltmeere zu entsorgen?

Essen aus der Giftküche
    Es war irgendwann im Frühjahr 1991. Ich sitze auf meinem Schlepper, vor mir das große Spritzmittelfass, hinter mir das 18 m breite Spritzgestänge. Es hat tagelang geregnet, die Unkrautspritzung im Winterweizen ist überfällig, weil das Unkraut schon fast zu groß ist. Ich habe bereits das zweite Fass ausgebracht. Jetzt ist von den 10 000 Litern, die ich am Hof angerührt habe, noch die Hälfte übrig. Das Radio meldet für morgen erneut Regenfälle. Und plötzlich kommt zu allem Überfluss noch Wind auf. Eigentlich soll man bei Wind nicht spritzen, weil dann zu viel Wirkstoff in die Luft übergeht und verweht wird. Aber das halbvolle Fass kann ich nicht heimbringen. Denn wenn eine weitere Woche das Wetter nicht passt, habe ich es so lange auf dem Hof stehen. Und weil die Spritzbrühe korrosiv wirkt, ist das gar nicht gut für das Gerät. Also doch noch schnell die 20 Hektar fertig spritzen, so schlimm ist das jetzt auch nicht mehr.
     
    Ich hatte mich bemüht, immer sehr verantwortungsvoll mit den Chemikalien umzugehen, die ich auf meinen Feldern eingesetzt habe, habe die leeren Spritzmittel-Kanister immer ordentlich gereinigt und vorschriftsmäßig entsorgt. Und wenn irgend möglich habe ich auch nicht in der Mittagshitze gespritzt, wenn zu viel verdunstet und in höhere Luftschichten gelangt. Aber so ganz kleine Kompromisse waren eben nicht zu umgehen.
    Mein Unbehagen damit war der Auslöser dafür, dass ich begann, mich für eine Umstellung auf Ökologischen Landbau zu interessieren. Nicht weil ich mich als Brunnenvergifter und Umweltkrimineller gefühlt hätte. Aber weil mich zunehmend das Gefühl beschlich, dass diese Chemikalien, die man nicht einatmen und nicht auf die Haut kommen lassen und von denen nichts ins Abwasser gelangen darf, weil sonst die Mikroorganismen in der Kläranlage geschädigt werden – dass die besser auch nicht in die freie Umwelt auf meinem Acker kommen sollten.
    Im Herbst 1991 war es damit vorbei, weil wir uns für die Umstellung entschieden hatten. Für meinen Mitarbeiter und mich bestand die größte Freude über diesen Schritt in der Gewissheit, mit den Beizmitteln und Fungiziden, Herbiziden, Halmverkürzern und Insektiziden von BASF , Bayer, Syngenta, DuPont – und wie sie sonst noch heißen – nichts mehr zu tun zu haben. Dem hat auch keinen Abbruch getan, dass wir seit Einführung des Kartoffelanbaus auf zehn Hektar (von insgesamt 140 Hektar) wieder mit der Spritze unterwegs sind. Was wir dort allerdings ausbringen, entstammt der Natur: Ein Pflanzenextrakt (aus den Samen und dem Öl der Blätter und Früchte des indischen Neem-Baumes) und ein Präparat mit dem Bodenbakterium
Bacillus thuringiensis
werden gegen die Kartoffelkäfer eingesetzt. Dazu kommt ein Kupferpräparat gegen die Kraut- und Knollenfäule, das, auf die Gesamtfläche des Betriebes gerechnet, die Menge des Spurennährstoffes Kupfer ersetzt, der mit dem Erntegut dem Boden entzogen wird.
    Ja, es stimmt, dass all die Mittel, die für die Anwendung in der konventionellen Landwirtschaft zugelassen sind, sorgfältig darauf untersucht wurden, ob sie in der vorgeschriebenen Dosis unschädlich sind. Und doch, selbst in unseren wohlorganisierten Breiten, in denen die Anwendungsvorschriften meist penibel eingehalten werden, werfen diese wohlgeprüften Substanzen etliche schwer zu beantwortende Fragen auf.
    Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von ihnen, welche die Europäische Union aus der Liste der zugelassenen Pestizide genommen hat, weil sie als erbgutschädigend oder krebserregend eingestuft wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie jahrelang zugelassen gewesen. Erinnern wir uns an den Mai 2008, als Millionen von Bienen nach der Maisaussaat im Oberrheingraben tot vor ihren Stöcken

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