FOOD CRASH
Bodenlösung übergeht.
Ich beschreibe das so detailliert, weil sowohl beim Entstehen von Problemen der konventionellen Landwirtschaft als auch bei der Suche nach Instrumenten zu ihrer Behebung Stickstoff eine zentrale Rolle spielt. Welche Wirkungsketten mit dem »Pushen« des Ertrages durch Einsatz von mineralischem Stickstoff in Gang gesetzt werden, will ich anhand des Weizenanbaus auf meinen Feldern und auf denen meiner konventionellen Nachbarn zeigen. Wobei ich der Vollständigkeit halber beide Systeme vergleichend in einer Tabelle gegenüberstelle.
Systemvergleich ökologisch – konventionell
Dafür ist es wichtig zu wissen, dass Stickstoff nicht nur das Wachstum beschleunigt, sondern auch dazu führt, dass die Zellwände weicher – und damit weniger widerstandsfähig gegenüber dem Befall mit Pilzsporen – werden.
Konventionelles Saatgut wird deshalb mit einer Chemikalie behandelt, die Pilzsporen auf dem Saatkorn tötet, aber auch durch das Saatkorn in die junge Pflanze hineinwirkt, um dort Pilzerkrankungen vorzubeugen. Ökopflanzen sind zwar weniger gefährdet, es gibt aber trotzdem bestimmte Pilzinfektionen, die sich im Ökogetreide sehr schädlich auswirken. Deshalb verwenden wir nur Saatgut, von dem durch vorherige Untersuchung klar ist, dass es keine Pilzsporen aufweist.
Die Bekämpfung von Mehltau, einem Pilz, der sich ausbreitet, wenn die Pflanzen eine Handbreit hoch sind, ist im konventionellen Landbau unabdingbar. Bei uns sind zwar keine Fungizide erlaubt, aber dafür haben wir Ökobauern auch gar kein Mehltauproblem. Weil wir nicht mit Stickstoff düngen, sind unsere Pflanzen widerstandsfähiger, und der Pilz richtet keinen nennenswerten Schaden an.
Fungizide sind nicht nur hochwirksam, sondern auch sehr selektiv, d.h. sie töten nur bestimmte Pilze ab, bei anderen sind sie wirkungslos. Die Pflanze ist aber von Natur aus mit vielen verschiedenen Pilzen besiedelt, die zueinander in Konkurrenz stehen, sich sozusagen gegenseitig in Schach halten. Entfallen einzelne Konkurrenten, gewinnen andere die Oberhand – und werden jetzt schädlich. Also müssen auch sie mit wieder anderen Fungiziden bekämpft werden, was allenfalls aus der Sicht von Fungizid-Produzenten als glücklicher Umstand betrachtet werden kann. Dazu kommt, dass wegen der Wachstumsförderung durch Stickstoff die Pflanzen so dicht stehen, dass zwischen ihnen nur noch wenig Luft zirkuliert, was – viele kennen das Problem von ihren Zehen – einen idealen Lebensraum für Pilze schafft.
Da der Stickstoff die Pflanzenzellen weich macht und die Halme mit Macht wachsen, kippen die Pflanzen bei stärkerem Wind um. Der Transport von Wasser und Nährstoffen in den abgeknickten Halmen funktioniert dann nicht mehr, und großer Schaden droht. Damit das nicht geschieht, wird im konventionellen Getreidebau ein Pflanzenhormon gespritzt, das die Wachstumsvorgänge beeinflusst. Dadurch stoppt die Streckung der Halme, der Weizen bleibt kurz und kippt nicht mehr um. Ohne eine solche Behandlung streckt sich der letzte Halmabschnitt so, dass die Ähre schnell ins Freie hinausgehoben wird. Durch den Wachstumshemmer gelingt das aber nicht, und die Ähre bleibt zu nahe am obersten Blatt, dem Fahnenblatt. Dadurch infiziert sie sich mit den dort siedelnden Pilzen – und muss deshalb mit einem weiteren Fungizid behandelt werden.
Die letzte Wirkung des künstlich zugefügten Stickstoffs ist, dass die Körner ihre normale physiologische Reife nicht erreichen, sondern schon vorher durch die Sommerhitze trocken und druschreif werden. Was das für die Wirkung solcher Körner auf uns Menschen bedeutet, ist noch unklar. Jedenfalls aber ist dies der Unterschied, der es erlaubt, mit speziellen ganzheitlichen Messmethoden Weizenkörner, die mit künstlichem Stickstoff aus der Bodenlösung überfüttert wurden, von denen zu unterscheiden, die im Ökobetrieb aus der natürlichen Bodenfruchtbarkeit heraus ernährt wurden.
Es ist ein unbestrittener Grundsatz der Umweltpolitik, dass Stoffeinträge aus der Landwirtschaft die Umwelt nicht belasten dürfen. Im Übermaß vorhandener Stickstoff verursacht gleich mehrere Probleme: Die Anheizung der Klimaerwärmung durch Bildung von Stickoxiden und Ammoniak (s.o.), Verunreinigung des Grundwassers und damit Bildung von Nitrat im Trinkwasser (Krebsgefährdung) sowie die Überdüngung von Oberflächengewässern. Die Bundesregierung hat deshalb 1990 als Zielmarke aufgestellt, bis 2010 müssten die
Überschüsse
aus
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