FOOD CRASH
herauszusuchen, die keine Schäden zeigten. Mit denen wurde dann weiter gekreuzt und so selektiert, dass die Resistenzeigenschaft, die diese Pflanzen offenbar auszeichnete, in der neuen Linie stabil auftrat. Dass es so einfach sei, wurde ich belehrt, sei auch keine Überraschung. Denn schließlich habe der Käfer in seiner Ursprungsregion in Mittelamerika schon lange mit dem Mais koexistiert, offenbar ohne ihn ausrotten zu können. So sei klar gewesen, dass es eine natürliche Resistenz geben müsste. Auf welchem Mechanismus diese Resistenz beruhe, wisse man im Übrigen noch nicht. Wahrscheinlich »schmeckten« die entsprechenden Maissorten dem Schädling nicht. Aber der Vorteil gegenüber der Bt-Technologie von Monsanto sei sicherlich, dass deren Abwehrmechanismus lediglich auf einem einzigen Gen beruhe und deshalb durch Resistenzbildung bei der Gegenseite, den Schädlingen, leicht zu durchbrechen sei. Und dann, sozusagen beim Verabschieden, erzählte mir der Züchtungsexperte noch eine erstaunliche Geschichte: Forscher des Max-Planck- Institutes in Jena hätten untersucht, was sich an den Wurzeln von Mais abspielt, wenn die Käferlarven mit ihrem verderblichen Tun beginnen. Sie hätten herausgefunden, dass dann die Maiswurzeln
Terpene
bilden. Das sind Duftstoffe, und die wirken als Lockmittel für Nematoden, die ebenfalls im Boden leben. Daraufhin kämen die Nematoden zum Ort des Verbrechens und fräßen die
Diabrotica-
Larven auf! [105]
Ich weiß nicht, ob es bereits gelungen ist, diese Erkenntnis zu einer Nutzanwendung zu bringen. Aber ist es nicht beeindruckend, wie raffiniert die Natur selbst mit einem Problem umgeht, zu dem der Erfinderkraft der Gentechnikstrategen nicht mehr einfällt als der Einbau von Insektengift produzierenden Bakteriengenen in Pflanzen?
Ach ja, eine Anmerkung wäre zu dem Zuchtprojekt der Saaten-Union noch zu machen: Im Jahr 2008 hat die Saaten-Union ihr Mais-Saatzuchtgeschäft verkauft. Und damit auch das Projekt des
Diabrotica-
resistenten Mais. Käufer war die Firma
Dow-Agro-Science.
Das ist die Firma, die den Gentechnikmais mit der Monsanto-Technologie zur Bekämpfung des Wurzelbohrers herstellt. Muss ich erwähnen, dass man dort das Projekt mittlerweile eingestampft hat?
Push and pull –
Es gibt noch viel zu verstehen …
Die Zünsler sind global verbreitete Tiere, sie flattern nicht nur durch unsere Breiten, sondern sind auch in warmen Gefilden zu Hause. Der Mais, den sie dort bedrohen, dient nicht als Futter für Vieh und Biogasanlagen, sondern hat eine viel unmittelbarere Bedeutung für die Menschen. Er ist eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel. Entsprechend existenziell ist die Bedrohung, die dieser Schädling darstellt.
Einer, der sich mit solchen Bedrohungen auskennt und es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, sich ihnen in den Weg zu stellen, ist Hans Herren. Der Schweizer Insektenforscher mit dem weiß gewordenen Stoppelbart strahlt die fachliche Souveränität und Ruhe aus, über die man wohl nur verfügt, wenn man sich mit einem milden, aber unüberhörbaren Schweizerdeutsch ausdrückt. Er begann seine Tätigkeit in Nigeria im Jahr 1979 und erwarb sich am
International Institute of Tropical Agriculture
( IITA , Internationales Institut für tropische Landwirtschaft) in Nigeria hohe Verdienste durch seinen maßgeblichen Anteil am Sieg über die Maniok-Schmierlaus. Dieses Tier trägt nicht nur einen unappetitlichen Namen, es ist – genauer genommen: war – eine Bedrohung für die Ernährung Hunderter von Millionen Menschen im Afrika südlich der Sahara. Maniok oder Cassava ist uns weiter oben schon begegnet: Dieses Knollengewächs liefert enorm hohe Flächenerträge und bildet vor allem für Kleinbauern die Hauptquelle ihrer Nahrungsenergie. Ursprünglich stammt die Pflanze aus Südamerika, und von dort wanderte in den 1970er Jahren ein Schädling hinterher, eben jene Schmierlaus. Sie verursachte in den Befallsgebieten Ernteausfälle von bis zu 80 %. Versuche, ihr mit Insektengiften beizukommen, hatten sich als nicht erfolgversprechend erwiesen. Die Forscher des IITA suchten an der Quelle des Übels nach einer Lösung. Denn genau wie im Fall des Maiswurzelbohrers musste es ja dort, wo schon jahrhundertelang Schädling und Nutzpflanze miteinander auskamen, etwas geben, das diese Koexistenz möglich macht. Herren und seine Kollegen wurden fündig. 1981 fanden sie in Paraguay eine Schlupfwespe, die als Feind der Schmierlaus spezialisiert ist. Und so reiste sie
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