FOOD CRASH
Vorschriften produziert wird, die keine externen Kosten verursachen. Du kannst es mit gutem Gewissen kaufen.«
Es hat zwar einige Jahre gedauert, aber heute gehört das Shrimpsprojekt zu den erfolgreichsten Initiativen der Naturland-Aquakultur. Jährlich werden ca. 9000 Tonnen Shrimps mit diesem Zeichen auf dem deutschen und internationalen [126] Markt verkauft, mehr als 10 000 Hektar Teichfläche sind von konventioneller auf ökologische Erzeugung umgestellt worden, und mehr als 5000 einzelne Shrimpsfarmer (mindestens 15 000 Arbeitsplätze, einschließlich derer in der Verarbeitung) verdienen einen attraktiven Lebensunterhalt. Und eine große Menge Verbraucher freut sich über köstliche Krustentierchen, die unbelastet von Antibiotika sind und (jedenfalls mir) besonders gut schmecken. Sie kosten bis zu zweimal so viel wie die konventionellen Konkurrenten. Aber das macht nichts aus, wenn man nur halb so viel isst – denn das kann man ja nun mit deutlich erhöhtem Genuss tun und mit dem guten Gefühl, nicht anderswo auf der Welt Kosten verursacht zu haben, die man nicht selber trägt.
Staat und Verbraucher reichen sich die Hand
Oben habe ich die Bio- bzw. Ökozertifizierung von Lebensmitteln als ein Beispiel dafür beschrieben, wie man durch Definition von Richtlinien, die Sicherstellung ihrer Einhaltung durch Beratung und Kontrollen und die daran anschließende Zertifizierung den Verbraucher dazu bewegen kann, freiwillig zu ermöglichen, dass die Preise die tatsächlichen Kosten widerspiegeln.
Seit 1990 stimmt das nicht mehr ganz, denn seit dieser Zeit beteiligt sich der Staat an diesem Projekt. Unterschiedlich nach Staat und Region wird in der ganzen Europäischen Union ein an die Fläche gekoppelter Betrag an die Bauern gezahlt, die bereit sind, auf Ökologischen Landbau umzustellen und diese Wirtschaftsweise beizubehalten. [127] Nach einer Untersuchung von Buchführungsergebnissen durch das staatliche
Johann Heinrich von Thünen-Institut
in Braunschweig wäre in jedem Jahr der Gewinn der Biobetriebe deutlich geringer als der bei konventionellen Vergleichsbetrieben, wenn die Förderung wegfiele. Förderung hat also mittlerweile entscheidende Bedeutung erlangt: Ohne sie würden konventionelle Betriebe nicht umstellen und die meisten Biobetriebe könnten nicht mehr lange wirtschaftlich durchhalten. Das lässt zwei nicht selten gezogene Schlussfolgerungen zu. Die erste: Bio rechnet sich nur, wenn es subventioniert wird – ist also per se unwirtschaftlich. Die zweite: Man sollte die Bioprämien europaweit abschaffen. Dann würden die Preise ansteigen, und die Biobauern würden nicht mehr am Tropf öffentlicher Kassen (mit ihren Unwägbarkeiten!) hängen. Beides halte ich für falsch.
Erstens: Auch konventionell wird zusätzlich zu den flächenbezogenen Prämien, die alle Betriebe erhalten, subventioniert – nur nicht durch direkte Zahlung. Erwähnt seien nur die Kosten, die durch die Einträge von Pestiziden, Nitrat und Phosphaten in Gewässer entstehen. Auch die zahlt die Allgemeinheit – aber nicht, wie bei der Bioprämie vorsorgend, sondern in den Auswirkungen der Schädigung. Das im Juni 2011 veröffentlichte
European Nitrogen Assessment
[128] beziffert die jährlichen Kosten für Umweltschäden, die in Bezug auf Wasserqualität, Luftqualität, Klimawandel, Ökosysteme und Biodiversität sowie Bodenqualität entstehen, auf einen Betrag von 70 bis 320 Mrd. Euro. Sie liegen damit doppelt so hoch wie die Gewinne, die man sich mit Hilfe der Stickstoffdüngung in der Landwirtschaft erhofft. Alle Gemeinkosten mit eingerechnet, dürfte Ökologischer Landbau deshalb wirtschaftlicher sein, auch unter Einrechnung der Prämie. Zweitens: Wenn von Ökobetrieben Leistungen für die gesamte Gesellschaft erbracht werden, dann wäre es nicht zu rechtfertigen, diese Leistungen nur von den Naturkost-Kunden an der Ladentheke abgelten zu lassen. So betrachtet, sind die Ökoprämien der staatliche Teil eines sehr modernen Modells:
Public Private Partnership.
Verbraucher und Staat ermöglichen gemeinsam Ökologische Landwirtschaft.
Ich hoffe nun, liebe Leser, Sie sind nicht ganz erschöpft von diesem ausgiebigen Sortieren der Werkzeuge. Ehe wir uns jetzt aufmachen zu besprechen, wie diese Werkzeuge eingesetzt werden könnten, um den großen Transformationsprozess zuwege zu bringen, lassen Sie mich zusammenfassen. Vor uns liegen:
staatliche Ge- und Verbote sowie Steuern,
Anreizprogramme,
Zertifizierungssysteme,
die
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