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FOOD CRASH

FOOD CRASH

Titel: FOOD CRASH Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix zu Löwenstein
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Verbrauchern und Umweltschützern erwarben eine Reihe von Biobauern der näheren Umgebung die stillgelegten Produktionsanlagen – zum kopfschüttelnden Gespött der Branche. Denn schließlich galt als ausgemacht: Nur wer immer größer wird, kann mithalten. 15 Jahre später steht die Molkerei bestens da; sie konnte 2011 eine weitere Produktionsanlage, eine Käserei, übernehmen. Die Molkerei beschäftigt wieder so viele Menschen, wie bei der Liquidierung auf die Straße geschickt worden waren, und sie liegt regelmäßig an der Spitze der Tabelle, in der die Milchpreise, die die deutschen Molkereien an ihre Bauern zahlen, verglichen werden. Das aber verhindert nicht, dass auch das Milchgeld, das die Upländer ihren Bauern zahlt, an die allgemeine Preisentwicklung gekoppelt ist. Und die war so miserabel, dass im Sommer 2008 erstmals die ganze Bevölkerung mit der Frage der Milchpreise konfrontiert wurde. Damals schütteten Tausende von Milchbauern das kostbare, aber unterbezahlte Lebensmittel auf die Felder, um gegen den Verfall ihrer wirtschaftlichen Grundlagen zu protestieren. Die Genossen in Willingen wollten dieser Entwicklung schon 2005 nicht mehr zusehen und beschlossen, ihren Lieferanten 10 Cent je Liter mehr auszuzahlen. Ihnen war aber klar, dass man nicht einfach die Milch im Laden um diesen Betrag teurer machen kann. Denn dann kaufen die Leute eben eine andere Milch. Zusammen mit einem Institut der Uni Hamburg entwickelten sie deshalb das Projekt
Erzeugerfair-Milch.
Vereinfacht gesprochen funktionierte es so, dass der Ladenbesitzer 10-Cent-Marken mit der Milch geliefert bekam und diese auf die Milchtüten klebte. Die Verbraucher bekamen so die Möglichkeit, freiwillig 10 Cent mehr je Liter zu zahlen – um die örtlichen Milchbauern zu unterstützen. Und, o Wunder, die angeblich so geizgeilen Kunden griffen deutlich mehr zu den verteuerten Produkten als zu den daneben stehenden billigeren.
     
    Um ein bereits eingeführtes und obendrein sehr plastisches Beispiel für die Wirksamkeit von
Zertifizierung
aufzuzeigen, komme ich noch einmal auf die Shrimps zurück. Im Jahr 1999 kam die
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
( GTZ ) auf die Aquakulturexperten des Naturland-Verbandes zu. In Ecuador, Thailand und Bangladesch hatten sie die negativen Folgen der Shrimpsproduktion für die Umwelt und die soziale Entwicklung der lokalen Bevölkerung studiert und suchten nun nach brauchbaren Alternativen. Die sollten so beschaffen sein, dass die sehr attraktiven Einkommensmöglichkeiten für die Menschen ohne diese Nachteile erhalten blieben. Zusammen mit Naturland wurde ein Richtlinienwerk entwickelt, mit dem eine umweltverträgliche und soziale Shrimpsproduktion beschrieben wurde. Darin wurde z.B. festgelegt, dass statt der üblichen 50 bis 60 Tiere nur 15 je Quadratmeter Teichfläche gehalten werden dürfen. Unter diesen Bedingungen reichen 0,8 kg Futter für 1 kg Shrimps. Von der mit 25 % angesetzten Eiweißkomponente darf nur ein Viertel aus Fischmehl bestehen – und das wiederum kommt aus den Nebenprodukten der Speisefischverarbeitung. Der Rest des Futters ist pflanzlichen Ursprungs und kommt aus ökologischem Anbau. Dass Fütterungsantibiotika nicht erlaubt sind, versteht sich von selbst. Dazu kommen die Sozialrichtlinien, die für alle Produkte mit dem Siegel des Naturland-Verbandes gelten und die sicherstellen, dass die Arbeiter in den Shrimpsfarmen und den Verarbeitungsbetrieben angemessen entlohnt werden, sich gewerkschaftlich organisieren können, dass ausbeuterische Kinderarbeit verhindert wird und vieles mehr. Alle Farmer werden verpflichtet, mindestens 50 % der ehemaligen Mangrovenfläche auf ihrem Anwesen wieder aufzuforsten. Diese Produktionsform passt sich in die natürliche Umwelt ein, ohne sie zu schädigen, ermöglicht, dass die Becken dauerhaft genutzt werden können, und trägt zur Etablierung bereits verloren gegangener Mangrovenbestände bei.
    Nun galt es, Produzenten zu finden, die bereit waren, unter diesen Bedingungen zu wirtschaften; es mussten Futtermittelhersteller motiviert werden, entsprechendes Futter zu produzieren und – es musste ein Markt für die nun deutlich teureren Produkte gefunden werden. Dazu sollte das Naturland-Zeichen, das im Biomarkt eine gewisse Bekanntheit und vor allem das Vertrauen der Verbraucher genießt, genutzt werden. Mit diesem Zeichen und der dazugehörenden Verbraucherinformation wird den Kunden signalisiert: »Hier ist ein Produkt, das nach

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