FOOD CRASH
beliefern. Sie sind deshalb nicht grantig, sondern vergnügt, wenn eine neue Wirtschaft zu versorgen ist und wenn sie möglichst viele in ihrer Tour unterbringen. Ebenso muss es Ziel der politischen Maßnahmen sein,
alignment of interests
herzustellen: zwischen den Bauern und der Gesellschaft, zwischen der Natur und ihren Bewirtschaftern.
Der erste Hebel: Stickstoff
Im Jahr 2008, als die Kurven der Nahrungsmittelpreise ihre ersten Rekordspitzen ausbildeten, stiegen auch die Energiekosten in nie da gewesene Höhen. Den Landwirten bescherte das nicht nur erhöhte Kraftstoffpreise, sondern auch teuren Dünger. Die Notierungen der verschiedenen Formen von Stickstoffdünger gingen förmlich durch die Decke. Damals widmete das Kundenmagazin einer großen deutschen Saatzuchtfirma ein ganzes Heft dem Thema
Bodenfruchtbarkeit.
Dass ich mich daran erinnere, hängt damit zusammen, dass dies ein Thema ist, das sonst nur in den Mitgliedszeitschriften von Ökolandbauverbänden behandelt wird. Für den konventionellen Ackerbau hingegen spielt die Frage der Nährstoffversorgung aus dem Boden kaum eine Rolle, weil dort der Nachschub aus dem Düngersack kommt. Tatsächlich wurde im einleitenden Artikel des Heftes auch erläutert, dass es die gestiegenen Stickstoffpreise seien, durch die die Bodenfruchtbarkeitsfrage in den Vordergrund gerückt würde.
Stickstoff, in der chemischen Elemententabelle mit dem Buchstaben N bezeichnet, ist das wichtigste Element im Baustein allen Lebens. Er wird von Pflanzen und Tieren in höchst unterschiedlicher Form aufgenommen: als Molekül in Verbindung mit Sauerstoff oder Wasserstoff oder in die komplexe Struktur von Aminosäuren eingebaut, aus denen die Proteine zusammengesetzt sind. Durch die Zufuhr von Stickstoff in der Düngung beeinflusst der Bauer direkt den Mengenertrag seiner Pflanzen. Und ohne eiweißreiche Futtermittel ist auch der Höchstertrag an Eiern, Milch und Fleisch nicht herstellbar.
Gleichzeitig stehen Stickstoff und Eiweiß auch im Zentrum etlicher Probleme einer intensiven Landwirtschaft. Die Überdüngung und ihre Folgen für das Wasser, die Auslösung von Krankheitsanfälligkeit bei Pflanze und Tier, die Auswirkung des Anbaus von Sojabohnen in Südamerika – all das war bereits Gegenstand der vorangegangenen Kapitel.
Der Import von Stickstoff in den landwirtschaftlichen Betrieb – als Düngemittel und als Eiweißfuttermittel – ist deshalb
der
Hebel, wenn es darum geht, diese Probleme anzugehen und die Intensität der landwirtschaftlichen Produktion zu steuern.
Dieser Hebel muss durch zwei Maßnahmen in Bewegung gesetzt werden:
1. Durch eine Besteuerung von Stickstoff …
Eine Stickstoffsteuer ist einfach zu erheben, weil sie an der Produktion des Düngemittels (und dem Import) ansetzen kann. Für die Wirkung einer solchen Steuer liegen aus etlichen europäischen Ländern Erfahrungen vor, die zeigen, dass sie nur dann zu einer spürbaren Reduktion des Stickstoffeinsatzes führt, wenn sie in sehr spürbarer Höhe erhoben wird. In einer Studie des WWF [130] ist von 80 % des Stickstoffpreises als der kritischen Grenze die Rede. Allerdings zeigt die Wirkung der (sehr viel geringeren) Preisanhebungen, die durch die Energieverteuerung ausgelöst wurden, dass schon vor Erreichung dieser Grenze Reaktionen ausgelöst werden.
Es gibt eine Besteuerungsform, die sehr viel unmittelbarer an den durch Stickstoff verursachten Problemen ansetzt: die Stickstoff
überschuss
steuer. Sie nimmt als Bezugsgröße nicht das Kilogramm N, das als Düngemittel eingekauft wird, sondern die Differenz zwischen dem (als Düngemittel oder als Eiweißfuttermittel) in den Betrieb eingeführten Stickstoff und dem Stickstoff, der in den Ernteprodukten als Eiweiß enthalten ist und so wieder aus dem Betrieb ausgeführt wird (z.B. als Weizen oder Milch). Damit wird nur das besteuert, was Probleme im Grundwasser (durch Auswaschung) und im Klima (durch Ausgasung von Stickoxiden) verursacht: der nicht verwendete Überschuss. Nachteil dieser Methode ist aber, dass die Erhebung der Besteuerungsgrundlage enorm bürokratisch und damit teurer ist. Es ist deshalb sinnvoller, neben dem mineralischen Stickstoff, der in den verschiedenen Düngemitteln enthalten ist, auch das Eiweiß zu besteuern, das in Futtermitteln enthalten ist. Wie bei den Düngemittelwerken und beim Düngerimport hat man hier über den Futtermittelhandel ebenfalls einen »Flaschenhals«, an dem sich die Steuer leicht erheben lässt.
2.
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