FOOD CRASH
landwirtschaftliche Gesetzesbrecher überschritten würden. Sie entstehen im Rahmen der ordnungsgemäßen, gesetzlich zulässigen Praxis. Sicher gibt es Fälle, in denen Regelungen wegen des politischen Einflusses derjenigen unzureichend ausfallen, die von ihnen betroffen wären. Es ist leicht vorstellbar, dass z.B. die Vertreter der chemischen Industrie alle Hebel auf Stopp stellen möchten, wenn es um eine Verschärfung eines Pflanzenschutzmittelgesetzes geht. Erfolgreiche Lobbyarbeit ist jedoch keineswegs der einzige Grund, weshalb nicht alle Bereiche durch Ge- und Verbote zufriedenstellend geregelt sind, in denen der Markt beim Schutz öffentlicher Güter versagt.
Die Möglichkeiten staatlicher Reglementierungen finden häufig ihre Grenzen an den Grenzen: Bei fast allem, was unsere Landwirtschaft produziert, gibt es Konkurrenten in anderen Wirtschaftsräumen, die das gleiche Produkt herstellen und die es wegen der entsprechenden Freihandelsabkommen auch auf unserem Markt verkaufen können. Am deutlichsten ist das bei Tierschutzstandards. Man könnte durchaus in Deutschland oder in der Europäischen Union per Gesetz dafür sorgen, dass alle konventionellen Masthähnchen so viel Platz haben wie ihre ökologisch aufgezogenen Kollegen und dass sie ins Freie dürfen. Das würde zur Folge haben, dass die Aufzuchtkosten deutlich ansteigen und damit Hühnerbrust und Chickennuggets doch erheblich teurer würden. Damit wären sie aber nicht mehr zu den Hähnchen aus Brasilien konkurrenzfähig, die ohne solche Auflagen aufgezogen werden können. Im Extremfall verlagert sich dann die Produktion nach Brasilien, und Hühnerfleischprodukte kommen dann von dort. Damit haben wir aber die Umweltschäden, die wir bei uns vermeiden wollten, nur exportiert, und es geht den Tieren, die auf dem Teller der Deutschen landen, so schlecht wie vorher – nur eben woanders.
Das gleiche Problem stellt sich bei
Steuern.
Die kann man erheben, um bestimmte Produktionsverfahren teurer zu machen, durch die die Umwelt belastet wird, oder um Anreize zu geben, damit mit knappen Ressourcen sparsamer umgegangen wird. Auch dieses Instrument funktioniert nur dann gut, wenn die dadurch verursachten Ungleichgewichte des Wettbewerbs nicht zu groß werden. Denn auch in diesem Fall wird die Produktion verlagert – dorthin, wo solche Steuern nicht erhoben werden.
Um solche Effekte zu vermeiden und damit die Einsatzmöglichkeiten staatlicher Rechtsetzung und steuerlicher Lenkung zu erweitern, kann man versuchen, mit den Staaten, in denen die Konkurrenzproduktion stattfindet,
Abkommen
zu treffen, damit sie von ihren Bauern vergleichbare Standards einfordern. Sind sie dazu nicht bereit, kann man
Importzölle
erheben, die den Kostenunterschied zwischen der Produktion im Inland und im Ausland ausgleichen. Auf diese Weise würde auf dem deutschen Markt das brasilianische Hähnchen genauso viel kosten wie das deutsche. So wie die Dinge liegen, ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Brasilianer einer solchen Importsteuer zustimmen würden, wobei – und darüber ist später noch zu sprechen – es durchaus Anreize gäbe, die man ihnen anbieten könnte. Ohne ihr Einverständnis riskiert man aber Ärger. Der kann zum Beispiel so aussehen, dass die Brasilianer sich dadurch revanchieren, dass sie auf deutsche Autos oder Staubsauger Strafzölle erheben. In einem Land wie Deutschland, dessen Wirtschaft vom Export seiner Industrieprodukte lebt, wäre ein solcher Versuch zum Scheitern verurteilt.
Zuckerbrot statt Peitsche
Es gibt also Situationen, in denen der Staat seine Bauern nicht durch Regelungen oder die Erhebung spezieller Steuern dazu bringen kann, etwas zu tun, was sie freiwillig nicht tun würden, weil der Markt sie dafür nicht belohnt.
Daran können die geschilderten globalen Wettbewerbsverhältnisse schuld sein. Es gibt aber auch Dinge, die man nicht einfach anordnen kann. Wenn ein Allgäuer Bauer es leid ist, seine Kühe Jahr für Jahr auf die Alm zu treiben, weil er damit mehr Aufwand hat, als die Milch ihm einbringt, dann gibt es kein Gesetz, das ihn dazu zwingen könnte. Für die voralpenländische Tourismusindustrie aber wäre das ein Problem, weil das Wandern im dichten Wald wenig reizvoll ist. Außerdem gibt es jede Menge Tiere und Pflanzen, deren Lebensraum die von Weidetieren offen gehaltenen Berglandschaften sind.
In dieser Situation muss an die Stelle der Peitsche das Zuckerbrot treten: Wenn die Gesellschaft will, dass die Almen offen
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