FOOD CRASH
Kombination aus Zertifizierungssystemen und Anreizprogrammen.
Was geht?
Mutter Teresa, die Heilige von Kalkutta, soll einmal einen Journalisten verblüfft haben, der von ihr wissen wollte, was sich in der Katholischen Kirche ändern müsse. Sie habe, berichtet der, ihn einen Moment nachdenklich angesehen und dann gesagt: »Sie. Und ich.«
Diese Geschichte kam mir in den Sinn, als ich darüber nachdachte, wie man diesen letzten Abschnitt gliedern könnte, in dem es um konkrete Handlungsoptionen gehen soll. Ganz sicher, und dafür spricht vieles, was Mutter Teresa sonst getan und gesagt hat, meinte sie mit dieser Antwort nicht, in der Organisation
Katholische Kirche
müsse sich nichts ändern. Ich verstehe ihre knappe Antwort so, dass am Ausgangspunkt, dort, wo anzufangen ist, der Einzelne dran ist und es weder angeht noch für irgendetwas nützlich ist, sich mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger in eine gemütliche Ecke zu setzen und auf die Menschen und Strukturen zu deuten, denen man Änderungsbedarf zuschreiben möchte.
Bei unserem Thema ist das ähnlich. Es müssen sich Strukturen und Rahmenbedingungen ändern. Unbedingt sogar, wenn wir das Problem der globalen Ernährungssicherung in den Griff bekommen wollen. Und doch ist es der Einzelne – also:
Sie. Und ich
–, die den unmittelbaren Anfang machen können. Ich will dieses Buch und dieses Kapitel mit dieser Frage abschließen und beginne deshalb erst einmal mit den gesellschaftlichen Handlungsfeldern:
der deutschen Politik in den verschiedensten Bereichen,
der europäischen Agrarpolitik
und der globalen Wirtschaftspolitik, die sich in multilateralen Vertragswerken konkretisiert, insbesondere dem Welthandelsabkommen im Rahmen der WTO. [129]
Sie werden sich vielleicht wundern, warum ich erst umfangreich darlege, dass nur eine Ökologische Landwirtschaft unser aller Ernährung auf Dauer sicherstellen kann, und jetzt nicht einfach fordere, es müsse per Gesetz die gesamte Landwirtschaft auf Ökologischen Landbau umgestellt werden.
Diese Forderung unterbleibt nicht nur, weil sie politisch nicht durchsetzbar wäre, weder in Deutschland noch in der EU . Sie unterbleibt auch, weil der ökologische Landbau weiterentwickelt werden muss, sowohl was das Produktionssystem betrifft, als auch was die Fähigkeit der Landwirte betrifft, mit diesem System umzugehen.
Dass eine 100-%-Umstellung heute nicht zu erreichen ist, hat deshalb den Vorteil, dass der Ökolandbau sich in Konkurrenz zum konventionellen System entwickeln und bewähren muss. So etwas setzt Triebkräfte frei und stärkt die Fähigkeit des Ökolandbaus, als Pionier wegbereitend für eine Transformation der gesamten Landwirtschaft zu wirken. Allerdings muss eine solche Konkurrenz fair sein: Die wahren Kosten der Produktion müssen in den Preis eingerechnet (internalisiert) werden. Profite zu Lasten der Allgemeinheit darf es nicht mehr geben.
Die Maßnahmen müssen deshalb auf drei Ziele ausgerichtet sein:
Rahmenbedingungen so zu setzen, dass möglichst viele externe Kosten von Landwirtschaft und Ernährung internalisiert werden,
möglichst viele Anreize für eine nachhaltige Produktion und einen nachhaltigen Konsum zu geben,
Wissen und Bewusstsein in der Bevölkerung herzustellen für die Folgen ihres Lebensstiles im Allgemeinen und ihres Ernährungsverhaltens im Speziellen.
Denn wenn der Verbrauch von Ressourcen einen realistischen Preis hat, dann lohnt es sich, mit diesen Ressourcen sparsam umzugehen. Und wo nachhaltiges Wirtschaften belohnt wird, da rentiert es sich, Allgemeingüter und Lebenschancen künftiger Generationen nicht zu schädigen. Und nur wer begreift, was er mit seinem Handeln anrichtet, wird sein Verhalten so ändern, dass es keinen Schaden anrichtet.
Es gibt in der Wirtschaft ein Prinzip, nach dem man Mitarbeiter oder Partner dazu bringen kann, ihr Bestes zu geben, das auch auf diese Ziele zutrifft. Es heißt
alignment of interests
und bezeichnet das In-Übereinstimmung-Bringen von Interessen. Erklärt hat es mir ein Brauer, der eines Tages beschloss, sein Bier nicht mehr von eigenen Fahrern, sondern von selbständigen Fuhrunternehmern ausfahren zu lassen. Das Interesse des Brauers war, in möglichst vielen Gaststätten und Läden sein Bier unterzubringen. Das der Bierfahrer, einen möglichst entspannten Tag aus gut bezahlten Arbeitsstunden zu verbringen. Erst in dem neuen System kamen die Interessen in Übereinstimmung: Auch die Fuhrunternehmer wollen viele Kunden
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