FOOD CRASH
wohnt – bringen einen Politiker ins Schwitzen, dem der Frieden zwischen den Bürgern am Herzen liegt, für die er Verantwortung trägt. Dass aber dem Kreisbauamt zudem noch Bauanträge für weitere zehn Millionen Mastplätze vorlagen, dürfte den Landrat ziemlich schlaflos gemacht haben. Bis er eine geniale Idee hatte. Herr Bröring beriet sich mit dem Kreisbrandinspektor und stellte darauf fest, dass es in den beantragten Ställen nicht möglich sein würde, binnen der brandschutzrechtlich vorgesehenen Rettungsfrist alle Schweine aus dem Gebäude zu schaffen. Und lehnte darauf den nächstanstehenden Antrag ab.
Diese Geschichte hat ihr Ende noch nicht gefunden, während ich diese Zeilen schreibe, und so weiß ich nicht, ob der Brandschutz auf Dauer ein geeigneter Hebel sein wird, um den Wahnsinn einer Tierproduktionsindustrie, die in keinem Verhältnis zur landwirtschaftlichen Fläche mehr steht, aufzuhalten. Eine Produktion, die nur noch existiert, weil in Tankschiffen die Gülle bis nach Mecklenburg gefahren wird, um dort auf den Äckern entsorgt zu werden.
Dass jedoch das Baurecht als solches eine wichtige Rolle spielen muss, wenn es um die Eindämmung der Massentierhaltung geht, steht außer Zweifel. Das hängt vor allem mit der Frage zusammen, wer im sogenannten »baulichen Außenbereich« ein Gebäude errichten darf – also dort, wo man Schweineställe errichten muss, wenn man ihre Geruchsemissionen weit genug von anderen Gebäuden fernhalten möchte. Im Außenbereich darf eigentlich nur bauen, wer dazu »privilegiert« ist. Und das sind Landwirte; Gewerbebetriebe sind es nicht.
Landwirt ist, wer nur so viele Tiere hält, als er von seinen eigenen Flächen ernähren kann, und dessen Tiere nicht mehr an Fläche beanspruchen, als er hat.
Mit einer vernünftigen Ausgestaltung des Baurechtes ließen sich demnach viele Auswüchse verhindern. Zusätzlich spielt die weiter unten zu behandelnde europäische Subventionspolitik hier eine Rolle.
Werden diese Rechtsbereiche durch den Hebel des Tierschutzes ergänzt, kann man sehr schnell einen deutlichen Schritt weiter kommen. Denn die Haltungsverfahren der industriellen Tierproduktion sind bei Schweinen und bei Geflügel nur möglich, wenn man bestimmte Eingriffe an den Tieren vornimmt. Nur wer den Schweinen die Schwänze abschneidet (»kupiert« heißt das, damit’s nicht so schlimm klingt), vermeidet, dass die Tiere sich den Kringel gegenseitig abknabbern und sich dadurch in der Folge schlimme Entzündungen zuziehen, die sogar tödlich verlaufen können. Und nur wenn man den Hühnern die Schnabelspitzen, also ihr empfindlichstes Tastorgan, abschmirgelt oder abbrennt, kommt man drumrum, dass die Tiere sich durch Bepicken gegenseitig verletzen. Beide Verhaltensweisen haben in erster Linie mit der zu engen Haltung in den Ställen zu tun, z.T. aber auch mit einer Zucht, deren Ziel hohe Tageszunahmen und Eierausbeute ist, nicht aber ein »sozialverträgliches« Verhalten.
Im Umkehrschluss heißt das: Verbietet man das Schnäbelkürzen und das Kupieren der Schweineschwänzchen, dann wird eine Massentierhaltung unmöglich, die heute im konventionellen Betrieb der Standard ist – und zwar unabhängig davon, ob die Tiere dicht an dicht beim kleinen Bauern um die Ecke stehen oder ob sie unter gleichen Bedingungen in riesigen Ställen in den »Veredelungszentren« der Republik gehalten werden. Unlängst übrigens hat unsere derzeitige Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner Vorstöße in diese Richtung unternommen – und sah sich sofort einem Trommelfeuer an Protest aus dem Berufsstand gegenüber, in dem man sehr wohl weiß, mit welchen Konsequenzen das verbunden wäre … Auch der niedersächsische Landwirtschaftsminister Lindemann hat inzwischen einen Plan zur Verbesserung des Tierschutzes vorgelegt, so dass diese Diskussion nun unausweichlich ist.
Public Money for Public Goods:
die europäische Agrarpolitik
Bevor ich jetzt Maßnahmen anspreche, mit denen durch Anreize Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion gesetzt werden, muss ich Sie auf einen kleinen Exkurs mitnehmen. Er betrifft die
Gemeinsame Agrarpolitik
( GAP ) der Europäischen Union. Sie hat deshalb so große Bedeutung, weil sie das am stärksten vergemeinschaftete Politikfeld Europas ist und dies auch von Anfang an war. Aus diesem Grund nimmt die GAP auch den größten Einzelhaushalt der EU in Anspruch. Er beträgt 56 Milliarden Euro und damit 40 % des gesamten Brüsseler Etats. Alle
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