FOOD CRASH
sieben Jahre wird dieser Haushalt neu beschlossen und jede neue Finanzierungsperiode ist auch der Beginn einer neuen politischen Ausrichtung. 2013 ist es wieder so weit, dass ein 7-Jahres-Zeitraum endet, und so laufen die Verhandlungen zwischen den Staaten und mit der Kommission auf Hochtouren. Die Reform von Lissabon hat es mit sich gebracht, dass zum ersten Mal auch das Straßburger Parlament entscheidend mitreden wird.
Es lohnt sich aus zwei Gründen, die Grundmechanismen der europäischen Agrarpolitik zu verstehen. Erstens um im Hinblick auf unser Thema beurteilen zu können, welche Auswirkungen dieses wichtige Politikfeld auf die zukünftige Entwicklung von Landwirtschaft und Ernährung hat. Und zweitens, weil es sich bei Agrarpolitik keineswegs um ein Spezialthema handelt, das nur Bauern und Fachpolitiker betrifft. Vielmehr werden hier die Landschaft und die Umwelt gestaltet, in der wir leben, und die Rahmenbedingungen für die Produktion der Nahrungsmittel gesetzt, die wir täglich essen. Es betrifft auch Sie, sollten Sie zu denen gehören, die Steuern zahlen. Kurz: Es geht um Ihr Geld.
Die europäischen Agrargelder werden auf zwei »Säulen« aufgeteilt. Eine erste, dicke, und eine zweite, dünne. Diese Architektur geht auf den Anfang der 1990er Jahre zurück, als die bis dahin garantierten Festpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse aufgehoben wurden. [133] Damit die Bauern, die ihre Produkte nun zu den erheblich geringeren Weltmarktpreisen verkaufen mussten, nicht reihenweise pleitegingen, wurden ihnen feste Beträge je Hektar Acker bezahlt, durch die der entstandene Verlust ausgeglichen werden sollte. Diese Gelder machen ca. 80 % des EU -Agrarbudgets aus und bilden die »erste Säule«. Zur gleichen Zeit begann man damit, an bestimmte Auflagen geknüpfte Zahlungen zu leisten, um Anreize zu setzen: Was vom Markt nicht (oder nicht ausreichend) honoriert wird, woran die Gesellschaft aber ein Interesse hat, sollte auf diese Weise gefördert werden. Durch die Programme der »zweiten Säule« werden sogenannte »Agrarumweltmaßnahmen« unterstützt, wie z.B. die Anlage von Blühstreifen, das Beweiden der Trockenrasenhänge im Altmühltal oder der alpinen Hochalmen, Erosionsschutzmaßnahmen durch Winterbegrünung oder Mulchsaatverfahren [134] und auch, als ganzes System von Agrarumweltmaßnahmen, der Ökologische Landbau. Darüber hinaus finden sich in dieser Säule Investitionsförderungen für neue Ställe, Maschinen oder sogar Verarbeitungsanlagen (bis hin zu gigantischen Schlachthöfen).
Zwanzig Jahre nach Entstehen dieser zwei Säulen ist es Zeit, zu einer neuen, einfacheren Systematik zu gelangen: zu einem Fonds für die Finanzierung von landwirtschaftlichen Umweltleistungen. Öffentliches Geld muss dafür eingesetzt werden, öffentliche Güter zu erzeugen.
Dann würde nicht mehr, ohne entsprechende Gegenleistung, eine Einkommensübertragung an die Bauern geleistet, wie das heute in der ersten Säule der Fall ist. Dann würden auch nicht mehr Betriebe von diesen Zahlungen umso mehr profitieren, je größer sie sind. Belohnt wird derzeit, wer mit möglichst wenig Arbeitsaufwand möglichst große Flächen bewirtschaftet. In einem neuen System würde vom Staat definiert, welche Leistungen er erbracht haben möchte, und auf diese Ziele hin würden Anreizprogramme konzipiert. Damit könnte man den Ausbau des Ökolandbaus beschleunigen und durch entsprechende Maßnahmen sonstige gewünschte Effekte erzielen.
Dass ich das verlange, ist weder originell, noch geschieht es aus der Position eines einsamen Rufers heraus. Längst haben Umweltverbände, Kirchen, Ökoanbauverbände und Verbraucherorganisationen genau diese Forderung erhoben. [135] Auch der für Landwirtschaft zuständige Kommissar, der Rumäne Ciolos, will in diese Richtung gehen, wenngleich er seine Vorschläge vorsichtig, zwischen allen Interessen und politischen Kräften abwägend, formuliert. Allerdings deutet der Stand der Diskussion darauf hin, dass eine tatsächliche Auflösung der Säulenarchitektur erst nach 2020 gelingen wird, so dass in der kommenden Finanzierungsperiode weiterhin, wenn auch reduzierte, Direktzahlungen erfolgen werden. Dies ist auch deshalb sinnvoll, weil ein allzu abrupter Abbau solcher Zahlungen vom Markt nicht kompensiert würde und deshalb flächendeckend zur Existenzgefährdung von Betrieben führen würde.
Unter diesen Prämissen ergeben sich aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU etliche Möglichkeiten für
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