Fool on the Hill
beiden, weil sie so offensichtlich aneinander genug hatten, doch seine Kontemplation wurde jäh von einer verschwommenen Gestalt unterbrochen, die in diesem Augenblick aus der Kneipe stürzte. Es war die bohemische Liebesministerin Aphrodite, und sie hatte sich Bettelstab wie eine geraubte Braut über die Schulter geworfen.
»Abend, George, allerseits«, grüßte sie. »Nix wie rein, Leute, bis neun kostet jeder Drink nur fünfundsiebzig Cent.«
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte mit dem Bewußtlosen auf der Schulter davon.
»Na, Gott sei’s gedankt, es gibt auch noch normale Leute«, sagte Cathy, moralisch bestätigt. Noch immer auf mögliche Unanständigkeiten gefaßt, öffnete sie die Tür zum Fiebertraum und ging hinein.
Diskret einander zulächelnd, folgten ihr George und Aurora^
Auch wenn die Mitglieder der Schwulengemeinde von Ithaca den Grund dafür niemals erfuhren, zeigte der Finger des Schicksals in dieser Nacht auf sie. Die ortsansässigen Reaktionäre blieben zu Hause und mästeten sich mit Truthahn und Football. Innerhalb der Gemeinde wurden neue Beziehungen geknüpft; dem Schwachen wurde Ermutigung, dem Einsamen Gesellschaft und allen wurde ein wenig Glück zuteil.
Drüben auf dem East Hill gestand ein siebzehnjähriges Footballwunder seinen Eltern während des Abendessens, daß seine niemals in Erscheinung tretende feste Freundin in Wirklichkeit der Mittelstürmer seines Teams war, ein flinkfüßiger Lulatsch namens Jonathan. Nun war der Vater des Footballwunders zufällig ein fanatischer Anhänger Lyndon »Führer-befiehl-wir-folgen« LaRouches, und sein erster Gedanke (eigentlich mehr ein Reflex) war, dem Sohn die Flausen aus dem Kopf zu prügeln. Doch just als er sich, die feiste Faust um einen Löffel geballt, von seinem Stuhl erhob, verlor er das Gleichgewicht und fiel mit dem Gesicht vornüber in eine Schüssel klumpigen Kartoffelbreis. Von unerklärlicher Blindheit geschlagen, wurde der delirierende Alte in einem Krankenwagen fortgeschafft und verbrachte drei finstere Tage in der Obhut des Tompkins-County-Hospitals. Bei Sonnenaufgang des vierten Tages erwachte er endlich aus tiefem Schlaf, und rief unter Tränen: »Von mir aus, von mir aus!« Und siehe, das Augenlicht ward ihm wiedergegeben. Er ging nach Hause, drückte den Sohn an sein Herz und tat fortan gute Werke.
Am Ufer des Cayuga Lakes ergingen sich drei Männer, die vom AIDS-Virus infiziert waren, im Stewart Park, als sie eine unsichtbare Lyra vernahmen, die eine entschieden griechische Variation einer kalvinistischen Hymne spielte. Bei diesen Klängen floh die Krankheit aus ihren Leibern und fuhr in eine Herde Eichhörnchen, die sich daselbst aufgehalten hatte, und die Herde wurde wahnsinnig und stürzte sich in die Wasser des Cayuga. Ebenso fanden für vier Schläger, die eine einsame Lesbierin verfolgt hatten, die goldenen Tage des Schwulenklopfens ein frühes Ende, als eine Faulschlammgasexplosion das Dach eines (glücklicherweise menschenleeren) Kentucky-Fried-Chicken Restaurants in die Luft sprengte und Feuer, Schwefel und extraknusprige Hühnchenflügel herabregnen ließ auf die Gottlosen.
So ging das die ganze Nacht weiter, und der einzige wirkliche Dämpfer kam in Form eines geheimnisvollen, auf nur einen Häuserblock begrenzten Stromausfalls, der Jenny’s New Wave, die Schwulenbar im Zentrum von Ithaca, zwang, ihre Tore vorzeitig zu schließen. Das Problem fand indes eine einfache Lösung; ohne sich die Laune verderben zu lassen, zogen die Gäste in den Fiebertraum um. Mit dem Ergebnis, daß Cathy Reinigen ziemlich viel Zeit hinter Schloß und Riegel auf der Damentoilette verbrachte, während George und Aurora, nicht im mindesten tangiert, das Sonderangebot ausnutzten und sich stillvergnügt vollaufen ließen.
»Jetzt erzähl mir doch mal«, sagte Aurora bei ihrem dritten Tequila Sunset (sie hatte einen auf der Halloween-Party probiert und schwärmte seitdem dafür), »warum du Christen nicht magst.« »Was bringt dich auf die Idee, daß ich sie nicht mag?«
»Kleinigkeiten. Wie du die Zeichnungen an Cathys Wand angesehen hast.«
»Die Zeichnungen fand ich toll«, sagte George wahrheitsgemäß. »Ich wollte, ich hätte einen Bildband davon.«
»Wie du dich manchmal Brian gegenüber verhältst.«
»Das beruht ja wohl auf Gegenseitigkeit. Brian verhält sich mir gegenüber auch nicht ganz astrein.«
»Ich weiß.«
»Ich bin«, fügte George hinzu, »schlicht gesagt ein Vertreter der Eisdielen-Theorie
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