Fool on the Hill
Schulbub.
»Mr. Smith?« erkundigte sich George besorgt. Vielleicht ein Gehirntumor?
»George«, erwiderte Walter und stellte sein Gekreisel ein. »George, du wirst mit Freuden vernehmen, daß ich soeben beschlossen habe, dir und Aurora meinen vorbehaltlosen Segen zu erteilen. Macht miteinander, was ihr wollt. Und was hältst du davon, wenn wir jetzt auf die Förmlichkeiten pfeifen und uns beim Baumstumpf da drüben einen andröhnen?«
Es gibt Angebote, die ein kluger Mann nicht einmal im Traum ablehnen würde. Der Anblick dieses älteren Mitbürgers, der einen Joint aus seiner Brusttasche hervorzog - und dazu keinen gewöhnlichen Joint, sondern ein echtes sechszölliges Bob-Marley-Memorial -, verblüffte George derart, daß er nicht anders konnte als einwilligen. Er nickte, schwang sich gleichfalls über den Zaun und folgte Walter zum alten Baumstumpf, wo sie ihre jeweiligen Anomalien austauschten, bis jede weitere Unterhaltung unmöglich wurde.
Sie blieben lange dort draußen und rauchten; die Sonne schloß ihren Untergang ab, die Sterne gingen nacheinander an, und eine kalte Brise kam auf, was sie nicht weiter störte. Sie machten sich erst wieder auf den Heimweg, als Aurora kam und sie holte - und die Augen aufriß beim Anblick der zwei Männer, die wie verrückte Priester unter dem Mond herumtollten; lange vor ihr tauchte allerdings die Ur-Aurora-Borealis auf, das schimmernde Nordlicht. Von diesem überirdischen Glühen, einem höheren Orts eigens in Auftrag gegebenen Schauspiel überwältigt, fand Walter Smith endlich Frieden: Jetzt wußte er, daß das Leben seiner Tochter vielleicht nicht unbedingt glücklich, aber bestimmt nicht alltäglich werden würde. George kannte zwar keinen Frieden - Geschichtenerzählern und Heiligen ist dieser Luxus auf Erden nicht vergönnt -, genoß aber dennoch das Polarlicht ebensosehr wie Walter, weil er in diesem Leuchten das Wesen der Schöpfung erahnte, und die Schöpfung verfehlte es nie, ihn zu erfreuen.
Überraschungspakete
I
Das Frühstück am anderen Morgen war fast genauso wie in Auroras Träumen. Es gab eigens für den Anlaß gekaufte frische Eier, Speck, Toast, Butter, Milch und Orangensaft. Sehr traditionell, aber auch wieder nicht, da Luther abermals auf dem Tisch saß und mit ihnen speiste. Der Hund war das einzige, wovon sie nicht im voraus geträumt hatte, alles übrige stimmte: sie und George, die sich über den Teller mit gebratenem Schinkenspeck hinweg anlächelten, ihr Vater, der aus seiner Ecke über irgendwas lachte. Beide Männer hatten noch von der Raucherei der letzten Nacht knallrote Augen, aber Aurora ließ taktvollerweise kein Wort darüber fallen.
Als sie ihr Rührei bis zum letzten Krümel vertilgt hatten, stand Aurora auf und nahm George wie Walter am Abend zuvor mit hinaus. George fragte nicht einmal, wohin sie gingen, da er letzte Nacht zu dem Schluß gelangt war, daß alles, was diese Familie nach dem Essen tat, zwangsläufig erfreulich war. Während sich Walter um den Abwasch kümmerte, führte Aurora George auf einen langen Spaziergang durch das umliegende Land; sie blieb immer wieder kurz stehen, um ihm die Stätten ihrer Kindheit zu zeigen. Als sie irgendwann bei einem teilweise zugefrorenen Bach knieten und eisiges Wasser aus der hohlen Hand tranken, fragte Aurora, ob das nicht ein guter Ort für die schicksalshafte Vereinigung zweier Liebenden wäre. George sagte, er glaube schon, und Aurora nahm ihn bei der Hand, zog ihn hoch und rannte mit ihm stromaufwärts bis zu einem offenen Feld, das einst zu einer Farm gehört hatte. Das Feld war jetzt weitgehend mit Gestrüpp überwuchert, und das einzige noch stehende Wirtschaftsgebäude war eine dunkle, verwitterte Scheune. Sie wirkte nicht übermäßig einladend - sah eigentlich exakt wie eine Spukscheune aus, in der vielleicht die Geister längst verstorbener Milchkühe umgingen -, doch genau darauf zeigte Aurora.
»Da rein«, sagte sie.
»Was ist dort drin?« Sie lächelte und küßte ihn auf den Mund. »Eine Überraschung.«
II
Viele Kilometer weiter östlich, auf dem Ithaca Commons, war eine Schneeballschlacht im Gang. Den Anfang hatten zwei Halbwüchsige gemacht, doch bald waren auch ihre Freunde und schließlich eine Gruppe von kleineren Kindern, von der Volksschule gerade in die Ferien entlassen, in die Auseinandersetzung einbezogen worden. Prediger und Jinsei hatten das sonnige Wetter für einen vorweihnachtlichen Spaziergang ausnutzen wollen und waren
Weitere Kostenlose Bücher