Fool on the Hill
wiederkehrte, waren sie beide nackt und lagen eng aneinander-geschmiegt auf den Steppdecken. Sie hatten sich geküßt und berührt und erkundet, und nun war der große Augenblick da.
»Jetzt könnte es ein bißchen weh tun«, bereitete George sie vor. »Weil du’s noch nie gemacht hast.«
Unter ihm lächelte Aurora. »Hast du das auch in einem Buch gelesen?«
»In vielen Büchern. Hab mir den Schmerz auch von ein paar Freundinnen beschreiben lassen. In allen Einzelheiten.«
»Dito.« Ihre Lippen öffneten sich und küßten seine Schulter. »Aber jetzt«, sagte sie, »in diesem Augenblick, bin ich sehr... entspannt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß mir jetzt etwas weh tun könnte, so wie ich mich fühle. Vielleicht war das auch der Zweck des Weins.«
»Vielleicht«, pflichtete George ihr bei. Mehr gab es nicht zu sagen; liebevoll, träumerisch sanft drang er in sie ein. Es tat nicht weh.
VI
»Jesses!«
Prediger hatte einen Schritt nach vorn gemacht und war plötzlich hüfttief im Schnee versunken. Jinsei packte seinen Arm sofort mit beiden Händen und machte sich auf einen Kampf gefaßt, denn es sah fast so aus, als habe irgend etwas Prediger von unten gepackt und wollte ihn hinabzerren. »Alles in Ordnung«, beruhigte Prediger sie. »Ich bin bloß in ein Loch getreten. Nichts weiter passiert.«
»Können wir hier bitte endlich weg?« flehte Jinsei, ohne seinen Arm loszulassen.
»Klar, sofort...« Prediger wollte gerade heraussteigen, als sein Fuß an etwas hängenblieb. »Moment mal. Wart noch’n Augenblick.«
Er befreite seinen Arm, drehte sich um und stieg ganz in das Loch hinein. Trat den Schnee beiseite, um etwas mehr Platz zu haben, bückte sich und fing an zu graben.
»Prediger, was -«
»Da ist was drin...« Mit einem Ruck zerrte er etwas aus der Erde. Hielt es triumphierend in die Höhe.
Jinsei erbleichte, da sie im ersten Moment glaubte, Prediger habe ein Stück von einer Leiche zutage gefördert, doch bei näherer Betrachtung sah sie, daß es sich bloß um eine Kiste handelte -ein schwarzes, würfelförmiges Eisenkistchen von knapp fünfzehn Zentimeter Kantenlänge und mit einem Silberband umwickelt.
VII
Als sie sich dem Gipfel näherten, rollten die zwei Liebenden von der Steppdecke herunter und kamen, bei der Berührung mit den harten, rauhen Planken wohlig aufstöhnend, dem Rand des Heubodens gefährlich nah. Wieder einmal geriet George in einen Zustand ehrfürchtigen Staunens, denn im Gegensatz zum geschmeidigen, schier reibungslos vollkommenen Liebesspiel mit Kalliope war die jetzige Vereinigung herrlich dilettantisch, stümperhaft - und dadurch um so schöner. Er schwelgte in der Wirklichkeit dieser Empfindung.
Dem Höhepunkt nahe, stieß jemandes Arm oder Bein an die Flasche »Leidenschaft des Heiligen« und warf sie hinunter. Einen Schweif von Rotwein hinter sich herziehend, flog sie hinab und zerschellte am Boden. Die zwei Liebenden bekamen nichts davon mit.
VIII
»Prediger, es war mir wirklich lieber, wir würden woanders hingehen, um das Ding aufzumachen...«
»Wart doch mal«, erwiderte Prediger.
Das papierdünne Silberband ließ sich mühelos zerreißen. Er wickelte es von der Kiste ab und bot es Jinsei an. Sie wollte es nicht anfassen; mit einem Achselzucken legte Prediger es zusammen und steckte es in die Tasche seines Langmantels.
»Prediger, ich meine...«
Doch er hörte sie nicht einmal, so sehr faszinierte ihn die rätselhafte Kiste. Alle Fugen waren sorgfältig mit einer Art Lötzinn versiegelt worden, das allerdings mit der Zeit so spröde geworden war, daß es sich ohne jede Schwierigkeit abkratzen ließ. Prediger entfernte das meiste davon mit dem Daumennagel und begann den Deckel langsam zu heben.
Er hatte die Kiste noch nicht geöffnet, als ihn etwas mit Schwingen und Fängen aus Eis seitlich am Kopf traf und zu Boden warf.
IX
George und Aurora stießen gleichzeitig einen Schrei aus, und mit ihnen der Wind, Georges treuer Verbündeter. Heulend packte er die Scheune und schüttelte sie wie ein Puppenhaus.
»Noch mal«, hauchte Aurora, als die Erde wieder stillstand.
X
»Was ist das denn?«
Prediger stützte sich mit einer Hand ab und griff sich mit der anderen an die blutverschmierte Stirn. Die Kiste war beim Zusammenstoß fortgewirbelt worden und lag nun, auf die Seite gekippt und einen Spaltbreit offen, ein paar Meter von ihnen entfernt im Schnee. Doch nicht auf die Kiste starrten er und Jinsei jetzt,
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