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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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er, dass der Wachdienst vor allem eine Ausrede zum Schreiben von E-Mails und Herunterladen von Pornos war. Es konnte also sein, dass noch niemand den Alarm bemerkt hatte … bis jetzt.
    So schnell er sich traute, schlich er zu den Containern zurück. Er war sich schmerzlich dessen bewusst, wie ungeschützt er sich den Augen eines jeden Beobachters darbot, wenn dieser auch nur einen beiläufigen Blick von der hoch gelegenen Brücke warf. Sobald er die Container erreicht hatte, schlüpfte er auf die schmale Gangway, die um das Schiff herumlief, und rannte zu seinem Versteck. In Gedanken ging er dabei durch, was er tun musste: sein Solarmodul und seine Antenne einholen. Seinen Container so dicht wie einen Froschhintern machen. Dann würden sie Monate brauchen, um ihn zu finden. In wenigen Tagen erreichten sie Shenzhen. Dort musste er dann nur noch die Hafensicherheit umgehen – die ein wachsames Auge haben würde, wenn die Crew sie über ihren blinden Passagier informierte. Argh. Er war ja so ein Idiot! Ihr ganzer Plan würde in sich zusammenfallen, bloß weil ihm langweilig gewesen war.
    Er verfluchte sich, er hyperventilierte – und dann rutschte er aus und krachte mit dem Gesicht gegen den mit Vogelschiss verschmierten Stahl. Er hatte wahnsinnige Schmerzen. Blut schoss ihm aus der Nase. Wahrscheinlich war sie gebrochen. Da begann das Schiff auf einmal zu schaukeln und sich zu heben … Und scheiße, diese Wolken da am Himmel!
    Das war nicht gut. Benommen wankte er die Container entlang, und eine schreckliche Sekunde wähnte er sich schon mit einem Bein im Himmel, als das Riesenschiff sich wieder senkte. Er fuchtelte mit der Hand, fand die Reling, dann fing er sich wieder und rannte weiter zu seinem Container.
    Dort angekommen, kletterte er rasch der Spur seiner Lebenserhaltungssysteme nach und baute sie mit zitternden Händen auseinander. Dann stopfte er Schlauch, Verkabelung, Solarmodul und Antenne in die Tasche, huschte wieder herab und schlüpfte gerade noch rechtzeitig in den Container, bevor das Schiff sich abermals aufbäumte und er auf seinen Hintern fiel.
    Er öffnete die Verriegelung seines luftdichten Allerheiligsten und flüchtete sich hinein. Das Schiff schaukelte nun wie wild, und seine Nahrungsmittel, die er achtlos hatte herumliegen lassen, flogen überall herum. Er achtete aber nicht darauf, sondern sprang an seinen Laptop und checkte den letzten Datenverkehr des Schiffs. Erst, als eine Thunfischdose ihm eine Beule verpasste, packte er den Computer weg, sammelte alles ein, was lose herumlag, und verstaute es in den festgeschraubten Kisten. Dann widmete er sich wieder den Logfiles, suchte nach irgendwelchen Anzeichen, dass er entdeckt worden war.
    Nachts war auf dem Geisterschiff nie viel los: ein paar telemetrische Daten, ein paar anzügliche E-Mails. Auch heute war das nicht viel anders. Die Logfiles endeten in dem Moment, als er die Antenne eingeholt hatte, aber wahrscheinlich wäre die Verbindung ohnehin bald abgebrochen. Es schüttete jetzt regelrecht, ein Wetter, bei dem selbst Frösche um ihr Leben fürchten mussten. Es klang, als ginge ein Trommelfeuer von Kieselsteinen auf die Stahlcontainer ringsum nieder. Nach ein paar Minuten begann er zu wünschen, er hätte die Ohrenschützer mitgenommen. Wieder ein paar Minuten später war jeder Gedanke an Ohrenschützer vergessen und er nur noch damit beschäftigt, sein gestohlenes Essen in eine Tüte zu erbrechen. Das Kotzen und das Schaukeln hörten gar nicht mehr auf, es ging einfach immer so weiter, endlos lang, und sein leerer Magen schien sich von innen nach außen zu stülpen. Schon hatte er Kotzspuren überall in seinem kleinen Unterschlupf verteilt. Er versuchte sich zu erinnern, was man bei Seekrankheit am besten machte. Auf den Horizont konzentrieren, oder? Leider gab es keinen Horizont in seinem Container, bloß schwankende Wände und schwaches Licht von den batteriebetriebenen LED s an der Decke. Die Schatten sprangen bedrohlich umher und verstärkten seine Desorientierung noch.
    Es war ihm noch nie in seinem ganzen Leben so schlecht gewesen, und das schien ewig so weiterzugehen. Irgendwann fragte er sich, wie es wohl sein musste, mit zehn oder zwanzig anderen Leuten im Dunkeln zusammengepfercht zu sein, ohne chemische Toilette, bloß mit einem Eimer, der beim ersten Schaukeln des Schiffs umkippte. Eingequetscht und eingesperrt, die Tür noch tagelang verschlossen, und keine Ahnung, was einen auf der anderen Seite erwartete …
    Auf

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