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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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an die Arbeit!«
    Das war die Stimme von Huang, dem Aufseher. Er kam aus Fujian und sprach einen furchterregenden Dialekt. Angeblich war er mal ein Snakehead gewesen – ein Menschenschmuggler, den man aus der Gang geworfen hatte, weil durch seine Behandlung einfach zu viele Migranten gestorben waren. Normalerweise saß er reglos wie eine Echse in der Ecke und rauchte eine falsche Marlboro nach der anderen. Die Zigaretten waren billige chinesische Imitate, filterlos und stark, und die Rauchfahne, die ihm stets ins Gesicht stieg, ließ ihn ständig eines seiner Augen zusammenkneifen. Manchmal vergaßen die Spieler, dass er überhaupt da war, doch wenn die Unruhe im Café zu groß wurde, schlich er sich katzenhaft von hinten an sie an und schlug ihnen so hart aufs Ohr, dass ihnen der Kopf herumflog. Diese Lektion blieb ihnen meistens im Gedächtnis und musste selten wiederholt werden.
    Jetzt aber teilte er Schläge links und rechts aus und bellte mit seiner heiseren Stimme Befehle. Hastig stolperten dieJungen auf ihre Plätze zurück. Ruiling saß wieder allein vor seinem Rechner, ein unsicheres Lächeln auf dem Gesicht.
    »Boss«, sagte er, »sehen Sie das?« Er deutete auf den Schirm.
    Huangs Gesicht blieb so ausdruckslos wie immer. Er legte Ruiling seine schwere, feste Hand auf die Schulter und beugte sich vor, um zu lesen. Sein Kopf war in Rauch gehüllt. Schließlich richtete er sich wieder auf. »Der Fenriszahn«, sagte er und nickte. »Dafür kriegst du einen Bonus, Ruiling. Gute Arbeit.«
    Ruiling zuckte zusammen. »Boss«, sagte er respektvoll, aber laut, sodass man ihn über den Lärm der Lüfter hinweg verstand. »Boss, das ist mein Char. Ich bin nicht bei der Arbeit. Das ist mein eigener Char.«
    Huang schaute ihn lange an. Sein Blick blieb hart, die Miene ausdruckslos. »Du kriegst einen Bonus«, wiederholte er. »Gute Arbeit.«
    »Das ist mein Char«, sagte Ruiling noch lauter. »Ich will keinen Bonus. Der Zahn gehört mir ! Ich hab ihn mir verdient – für mich selbst, in meiner Freizeit.«
    Er sah den Schlag nicht mal kommen, so schnell war er. Im einen Moment erklärte er den Fenriszahn noch hitzig zu seinem persönlichen Eigentum, im nächsten saß er schon auf seinem Hinterteil am Boden. Sein Kopf dröhnte wie ein Gong. Der Aufseher setzte ihm einen Fuß auf die Brust.
    »Dann eben keinen Bonus«, sagte er laut und deutlich, sodass alle ihn verstehen konnten. Dann zog er einen großen Brocken giftig grünen Rotz aus den teerverklebten Tiefen seiner schwarzen Lunge hoch und spuckte Ruiling genüsslich ins Gesicht.
    Seit seinem vierten Lebensjahr hatte Ruiling Wushu gelernt. Sein Lehrer war ein von allen im Dorf geachteter Mann gewesen, der während der Kulturrevolution in den Norden geschickt worden war. Man hatte ihn denunziert, geschlagen und hungern lassen, doch niemals gebrochen. Er war steinalt und so sanftmütig und geduldig wie eine Großmutter – aber er konnte einen Angreifer mit einer einzigen Drehung seines Handgelenks durch die Luft schleudern, mit seinen alten Händen ein Brett durchschlagen und einen mit seinen knotigen Füßen bis ins nächste Leben treten. Zwölf Jahre lang war Ruiling dreimal die Woche zu ihm gegangen. Alle Jungen im Dorf waren zu ihm gegangen, es hatte einfach zu ihrem Leben gehört.
    Seit Ruiling nach Südchina gekommen war, hatte er nicht mehr trainiert und dieses Relikt eines anderen China beinahe vergessen.
    Jetzt aber fiel ihm jede Stunde wieder ein. Das Wissen schlummerte noch in seinen Muskeln. Er packte den Knöchel auf seinem Hals, drehte ihn gerade genug, um einen optimalen Hebel anzusetzen, und übte dann ein kleines bisschen kontrollierten Druck aus. Der Aufseher segelte durch die Luft, beschrieb einen perfekten, graziösen Bogen, der erst von dem Knacken beendet wurde, mit dem sein Kopf auf die Tischkante traf. Der Tisch kippte um und riss ein Dutzend Flatscreens mit sich zu Boden. Der Lärm war selbst über den Ventilatorenlärm hinweg zu hören.
    Vorsichtig stand Ruiling auf. Der Aufseher lag stöhnend am Boden, und Ruiling konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken. Das hatte sich gut angefühlt. Er stellte fest, dass er Kampfhaltung eingenommen hatte: das Gewicht gleichmäßig verteilt, die Füße auseinander, um einen besseren Stand zu haben, dem Mann auf dem Boden die Seite zugewandt, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Die Arme waren locker erhoben, einer vor dem anderen, bereit, einen Schlag abzufangen, den Arm des Angreifers zu packen

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