Forbidden
rausgehen und etwas spielen?«
Was für einen Unterschied es doch macht, wenn man keinen langen Schultag hinter sich hat. Normalerweise bin ich um diese Uhrzeit total erschöpft, fahre alle nur noch an, sehne den Zeitpunkt herbei, an dem die beiden ins Bett gehen und Kit sich in sein Zimmer verzieht, sodass Maya und ich einen Moment allein haben, bevor wir uns beide an unsere Hausaufgaben setzen und ich schließlich über die Bücher gebeugt halb einschlafe. Als wir heute zu viert Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? spielen, fühle ich mich beinahe schwerelos, als hätte die Schwerkraft der Erde auf einmal für mich ausgesetzt. Es ist ein milder Märztag und immer noch hell. Ich stehe mitten auf der Straße, die Hände aufdie Knie gelegt, und lauere darauf, dass einer von ihnen sich zu nähern versucht und hofft, an mir vorbei auf die andere Seite zu gelangen, ohne gefangen zu werden. Tiffin wirkt schon startklar, hat den einen Fuß gegen die Mauer gestützt, die Hände zu Fäusten geballt, sein ganzer Körper ist angespannt, und er blickt mich wild und entschlossen an. Ich weiß, dass ich ihn in der ersten Runde herumjagen muss, aber am Ende nicht fangen darf. Willa hört aufmerksam Maya zu, die ihr letzte Anweisungen gibt. Offensichtlich besprechen sie ein Ablenkungsmanöver, das es Willa ermöglicht, ganz schnell über die Straße zu rennen, ohne dass ich sie erwische.
»Macht schon!«, brüllt Tiffin ungeduldig.
Maya richtet sich auf, Willa hüpft aufgeregt auf und ab, und ich zähle: »Eins, zwei, drei, los!«
Keiner rührt sich. Ich renne zur Seite, sodass ich vor Willa stehe, die entzückt aufkreischt und sich so fest an das Mäuerchen drückt, als würde sie am liebsten darin verschwinden. Dann schießt Tiffin los, einen spitzen Haken schlagend, um außerhalb meiner Reichweite zu gelangen. Aber das habe ich geahnt, stürme in seine Richtung und versperre ihm den Weg. Er zögert, will nicht zur sicheren Mauer zurückkehren, weil das feige wäre, und wägt das Risiko ab, loszurennen. Schließlich setzt er mutig auf Risiko. Ich reagiere sofort, aber er ist für sein Alter überraschend schnell. Um Haaresbreite schafft er es, mir zu entwischen, und schlägt auf der anderen Straßenseite an, sein Gesicht ist vor Aufregung rot, seine Augen leuchten.
Maya nutzt den Augenblick, in dem ich abgelenkt bin, um Willa loszuschicken. Willa rennt begeistert auf Tiffin zu, so auf ihr Ziel fixiert, dass sie mir fast direkt in die Arme läuft. Ich weiche einen Schritt aus und gebe knurrende Laute von mir, damit sie einen Bogen macht. Sie bleibt mit weit aufgerissenen Augen erschrocken stehen, wie ein Kaninchen vor der Schlange. Von beiden Straßenseiten rufen ihr Maya und Tiffin Anweisungen zu.
»Lauf zurück, schnell!«, brüllt Tiffin.
»Mach einen Bogen, tricks ihn aus!«, schreit Maya, die weiß, dass ich Willa nicht fangen werde.
Willa macht eine Bewegung nach rechts. Ich strecke schnell die Arme nach ihr aus, und meine Finger berühren ihren Mantel, aber mit einem Aufschrei stürzt Willa zur anderen Straßenseite. Sie rennt direkt in Tiffin hinein, der prompt mit dem Rücken gegen die Mauer fällt.
Jetzt ist nur noch Maya übrig, sie tänzelt mit theatralischen Gesten hin und her und bringt Tiffin und Willa zum Lachen.
»Renn einfach los, Maya!«, brüllt Tiffin.
»Hierher – nein, hierher!«, kreischt Willa und deutet in alle Richtungen gleichzeitig.
Ich werfe Maya ein böses Grinsen zu, um ihr klarzumachen, dass ich bei ihr keine Gnade walten lassen werde, und sie lächelt bissig zurück. In ihren Augen blitzt es schelmisch auf. Ich schlendere auf sie zu, die Hände in die Hosentaschen gesteckt.
Sie nimmt die Herausforderung an, passt den richtigen Moment ab und schlägt einen Haken. Ich mache jede ihrer Bewegungen mit und jubele schon in voreiligem Triumph, während wir uns beide Schritt für Schritt der gegenüberliegenden Mauer nähern. Dann täuscht sie plötzlich eine falsche Bewegung vor, ich falle darauf rein, sie stürmt los, und ich kann mich noch so sehr bemühen, ihr nachzusetzen, sie schafft es auf die andere Seite. Triumphierendes Lachen.
In der nächsten Runde fange ich Tiffin, der seine Enttäuschung bald überwindet, als er merkt, wie viel Spaß es machen kann, der Angreifer zu sein. Er nähert sich Willa und fängt sie gnadenlos innerhalb von wenigen Sekunden, nachdem sie sich von der sicheren Mauer gelöst hat. Sie fällt hin, steht sofort wieder auf, untersucht kurz ihre aufgeschürften
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