Forbidden
riesengroß. Wir heben die Hände und winken uns vorsichtig zu, und ich zähle die Stunden, bis ich ihn zu Hause wiedersehe. Wie immer sitze ich neben Francie auf der Mauer am Ende des Schulhofs. Sie quasselt auf mich ein, und ich höre oft gar nicht richtig zu, weil ich an Lochan denke und vor mich hin träume. Eines Tages bemerke ich erstaunt, dass er nicht allein auf der Treppe hockt.
»Sag mal, mit wem redet er denn da?«, unterbreche ich Francie mitten im Satz.
Sie folgt meinem Blick. »Das ist wahrscheinlich Declan, der neue Junge aus seiner Klasse. Seine Eltern sind gerade erst hergezogen, ich glaube, sie kommen aus Irland. Er scheint so ein superkluger Kopf zu sein und bewirbt sich an all den Eliteuniversitäten … Du hast ihn doch bestimmt schon mal gesehen?«
Hab ich nicht, aber anders als Francie verbringe ich nicht die meiste Zeit damit, sämtliche Schüler der Abschlussklasse zu beäugen.
»Und wie kommst du drauf, dass es dieser Declan ist?«, frage ich erstaunt.
»Ich hab sie gestern beim Mittagessen zusammen gesehen«, erzählt Francie.
Ich drehe mich zu ihr und schaue sie an. »Wirklich?«
»Ja. Und als ich Lochan vorgestern auf dem Flur begegnet bin, haben wir kurz miteinander geredet.«
»Was?«
»Ja! Statt weiterzugehen und so zu tun, als hätte er mich nicht gesehen, ist er tatsächlich stehen geblieben und hat mich gefragt, wie es mir geht.«
Ein ungläubiges Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus.
»Also, du merkst, er kann mit anderen Leuten reden.« Francie stößt einen tiefen Seufzer aus. »Vielleicht kriege ich ihn ja eines Tages doch dazu, mit mir auszugehen.«
Ich blicke noch einmal voller Freude zur Treppe hoch. »Wahnsinn …« Declan ist immer noch dort. Er scheint Lochan etwas auf seinem Handy zu zeigen. Ich beobachte, wie Lochan mit dem Arm eine lustige Geste macht und Declan lacht.
Ich bin ganz geplättet. Da traue ich mich in meinem Übermut, Francie endlich die Frage zu stellen, die ich ihr schon lange stellen wollte.
»Sag mal, Francie, ich hab nachgedacht … Glaubst du – glaubst du eigentlich, dass es allen Menschen, die sich wirklich lieben, auch erlaubt sein sollte, zusammen zu sein, egal welche Hindernisse ihnen im Weg stehen?«
Francie wirft mir einen halb belustigten, halb fragenden Blick zu, dann merkt sie, dass ich es ernst meine, und kneift nachdenklich die Augen zusammen. »Klar, warum nicht?«
»Und wenn ihre Religion es ihnen verbietet? Wenn ihre Eltern strikt dagegen sind oder drohen, sie zu enterben – sollten sie dann weiter auf ihrer Liebe beharren?«
»Na klar«, meint sie achselzuckend. »Es ist ihr Leben, deshalb sollte es ihnen erlaubt sein, zu lieben, wen sie wollen. Wenn die Eltern so bescheuert sind, es ihnen verbieten zu wollen, sollten sie weglaufen. Durchbrennen.«
»Was, wenn die Situation noch komplizierter ist?«, frage ich und denke angestrengt nach. »Wenn es sich zum Beispiel … sagen wir um einen Lehrer und eine Schülerin handelt?«
Francie reißt die Augen auf und packt mich am Arm. »Das darf doch nicht wahr sein! Wer ist es? Mr Elliot? Oder der mit den Computerkursen? Der junge Lehrer mit den Tattoos?«
Ich lache, schüttle den Kopf. »Ich doch nicht, wie kommst du denn darauf? Ich hab mich das nur so rein theoretisch gefragt. Weil wir doch in Geschichte darüber geredet haben, wie stark sich die Gesellschaft im letzten halben Jahrhundert verändert hat …«
»Ach so.« Francie macht ein enttäuschtes Gesicht.
Ich schiele zu ihr. »Mr Elliott?«, frage ich empört. »Du machst wohl Witze! Der ist fast sechzig!«
»Ich finde, er hat irgendwie was.«
Ich verdrehe die Augen. »Weil du ein verrücktes Huhn bist. Aber jetzt mal im Ernst. Rein theoretisch …«
Francie stößt einen gequälten Seufzer aus. »Hmm, na ja, vielleicht sollten die beiden abwarten, bis ihr Verhältnis nicht mehr strafbar ist –«
»Okay, aber wenn es das nicht ist? Nimm mal ein Mädchen, das achtzehn ist, und einen Lehrer mit vierzig? Sollten sie zusammen sein? Sollten sie gemeinsam durchbrennen? Wäre das richtig?«
»Na ja, der Typ würde vermutlich seinen Job verlieren, und die Eltern des Mädchens wären wahrscheinlich überhaupt nicht entzückt. Am besten würden sie ihre Beziehung eine Zeit lang geheim halten. Wenn das Mädchen dann nicht mehr in der Schule ist, kräht doch kein Hahn mehr danach!« Sie zuckt mit den Achseln. »Ich finde, es wäre irgendwie cool, mit einem Lehrer zusammen zu sein. Stell dir bloß mal
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