Forbidden
jener Nacht zu erschöpft, um noch viel länger weiterzureden. Aber bevor wir beide miteinander einschliefen, wollte Maya noch weitere Details wissen: welche Strafe wir zu erwarten hätten, ob die Gesetze denn in anderen Ländern anders seien – aber ich konnte nur das wenige wiederholen, was ich dazu im Internet gefunden hatte. Über den einvernehmlichen Inzest gibt es dort tatsächlich wenig an Informationen, dagegen viel über den nicht einvernehmlichen, an den die Leute wohl meistens denken. Ich habe vor allem nach Berichten von Betroffenen gesucht, aber nur zwei Fälle gefunden, in denen die Paare sich tatsächlich geoutet haben – keines davon in Großbritannien und beide Male Geschwister, die als kleine Kinder getrennt worden waren und erst als Erwachsene wieder zusammenfanden.
Wir schneiden das Thema am folgenden Tag noch einmal kurz an und erwähnen es dann nicht mehr. Maya war zwar zuerst schockiert und empört, aber danach hat sie sich schnell beruhigt, als ich ihr versichert habe, dass die einzigen Informationen über die Rechtslage rein hypothetischer Natur gewesen seien, über einen konkreten Fall hätte ich nichts gelesen – rein theoretisch, ja, da sei es möglich, dass ein Paar, das des Inzests bezichtigt wurde, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden konnte. Aber bei zwei Erwachsenen, die in beiderseitigem Einvernehmen Sex miteinander hatten, war das trotzdem unwahrscheinlich. Ich bin jetzt volljährig, und Maya ist es auch bald, deshalb brauchen wir da nicht mehr sehr lange zu warten. Und die Polizei wird ja wohl kaum aktiv nach Geschwisterpaaren suchen, die Inzest betreiben. Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass irgendjemand zufällig etwas herausfinden würde – warum sollte die Person uns verhaften und anklagen lassen? Aus Hass oder Rache? Und wie könnte vor Gericht jemals bewiesen werden, dass wir tatsächlich eine inzestuöse Beziehung haben, es sei denn, wir würden miteinander Kinder haben, womit wir ein unverantwortbares genetisches Risiko eingingen? Die Person müsste uns schon in flagranti erwischen, und selbst dann stünde ihr Wort gegen unseres.
Deshalb sorge ich mich eigentlich mehr darum, wie Kit, Tiffin und Willa davor bewahrt werden können, womöglich komisch angeschielt zu werden, weil Maya und ich viele Jahre mit ihnen zusammenleben und selber nie irgendwelche Partner haben. Aber sie werden dann ja bald ihr eigenes Leben führen. Maya und ich werden fortziehen, unsere Namen ändern, und dann könnten wir als unverheiratetes Paar zusammenleben. Wie so viele andere unverheiratete Paare auch. Völlig frei, ohne uns verstecken zu müssen. Freiheit, das wünsche ich mir. Und das Recht, uns lieben zu können, ohne eine Strafe fürchten zu müssen.
Doch erst einmal sind ganz andere Dinge wichtig. Maya und ich müssen für unsere Prüfungen büffeln. Zu unserer großen Überraschung bietet Kit uns aus heiterem Himmel eines Samstags an, mit den Kleinen ins Kino zu gehen, damit wir ungestört lernen können. Ein anderes Mal nimmt er sie mit in den Park zum Fußballspielen. Ungefähr seit dem Abend, an dem wir daserste Mal auf der Straße Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? gespielt haben, hat er aufgehört, mich dauernd zu provozieren, dauernd die Türen im Haus laut zuzuknallen, dauernd Tiffin und Willa zu ärgern, dauernd gegen alles, was ich sage, anzustänkern. Er ist nicht plötzlich über Nacht zu einem Engel geworden, aber er scheint sich durch meine Rolle in der Familie nicht länger bedroht zu fühlen. Es wirkt fast so, als hätte er Maya und mich als Ersatzeltern akzeptiert. Ich habe keine Ahnung, wo das alles herkommt. Vielleicht hat er sich in der Schule einer anderen Clique angeschlossen. Vielleicht ist er einfach nur älter geworden. Egal. Was auch immer der Grund sein mag, ich habe jedenfalls den Eindruck, dass Kit seine schwierige Phase allmählich überwunden hat.
Eines Tages schwenkt er triumphierend ein Blatt Papier, als er zum Abendessen kommt. »Wenn die Ferien kommen, gehe ich auf Klassenfahrt! Ich gehe auf Klassenfahrt! Auf Klassenfahrt!« Er schneidet den beiden anderen ein Gesicht.
»Wohin?«, kreischt Willa aufgeregt, als dürfte sie selbst auch mit.
»Mann, eh! Das ist so unfair!«, ruft Tiffin mürrisch.
»Hier, schnell, du musst das unterschreiben!« Kit wedelt mit dem Blatt Papier über meinem Teller und drückt mir einen Stift in die Hand.
»Wartet der Lehrer vor der Tür?«
Kit zieht eine Grimasse. »Haha! Unterschreib!«
Ich
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