Forbidden
meines Lebens ausgefragt, ich soll darüber Auskunft geben, was ich für Maya empfunden habe. All die Zärtlichkeit in meinem Herzen, alles, was wir miteinander geteilt haben. Alles, was die letzten drei Monate zu einem so großen Glück gemacht hat, wie ich es vorher noch nie gekannt habe. Aber jetzt geschieht mit meinen Gefühlen etwas ganz Schreckliches, sie werden hervorgezerrt und breit verschmiert wie die Exkremente an meiner Zellenwand, sodass man davor nur Abscheu haben kann. Es wird daraus ein widerliches, stinkendes Etwas, ein grässliches, widerwärtiges Geschehen, und ich verwandle mich in den abstoßenden Vergewaltiger, der seine jüngere Schwester missbraucht hat.
»Lochan, lassen Sie uns hier nicht weiter unsere Zeit vergeuden. Sie sollten sich in Ihrem eigenen Interesse kooperativ zeigen. Ihnen ist bestimmt bekannt, dass in Großbritannien die Höchststrafe bei Vergewaltigung ›lebenslänglich‹ lautet. Wenn Siekooperieren und Reue zeigen, wird die Strafe sicherlich deutlich geringer ausfallen, vielleicht bekommen Sie dafür auch nur sieben Jahre. Aber wenn Sie lügen oder die Sache abstreiten, wird der Richter bestimmt keine Nachsicht zeigen, und wir kriegen sowieso alles heraus.«
Wieder versuche ich zu antworten, wieder schaffe ich es nicht. Ich sehe mich durch ihre Augen – ein kranker, erbärmlicher, anormaler, sexbesessener junger Mann, der seine jüngere Schwester missbraucht und vergewaltigt hat. Seine jüngere Schwester, mit der er aufgewachsen ist, mit der er als Kind gespielt hat, seine nächste Blutsverwandte.
»Lochan …« Die Kommissarin beugt sich zu mir, die gefalteten Hände über den Tisch ausgestreckt. »Ich merke, dass es Ihnen zusetzt, was Sie getan haben, und das ist gut so. Es bedeutet nämlich, dass Sie anfangen, die Verantwortung für die Taten zu übernehmen, die Sie begangen haben. Vielleicht haben Sie ja nicht geglaubt, dass die sexuelle Beziehung, zu der Sie Ihre Schwester gezwungen haben, ihr Schaden zufügen könnte. Vielleicht haben Sie es ja auch gar nicht so gemeint, als Sie ihr damit gedroht haben, sie zu töten. Aber Sie müssen uns genau erzählen, was geschehen ist, sie müssen uns ganz genau erzählen, was Sie gesagt und getan haben. Wenn Sie versuchen, etwas zu vertuschen oder zu beschönigen oder zu lügen, dann wird alles nur noch schlimmer werden. Viel, viel schlimmer.«
Ich hole tief Luft, nicke, tue alles, was ich kann. Ich will ihnen ja zeigen, dass ich bereit bin, mit ihnen zu kooperieren, damit sie dieses good cop, bad cop -Spiel nicht länger für mich aufführen müssen. Ich will ja ein Geständnis ablegen. Ich brauche nur etwas Kraft, um mich zu fassen und die richtigen Worte zu finden,damit ich all das beschreiben kann, wozu ich Maya gezwungen habe – was sie mit mir anstellen sollte, was ich ihr angetan habe.
»Lochan, wie werden Sie von Ihren Freunden genannt?«
Detective Kaye spielt immer noch weiter dieses Spiel, schlägt diesen kumpelhaften Tonfall an, mit dem sie so tut, als würde sie mich verstehen und trösten wollen. Weil sie hoffen, dass ich ihnen dann vertraue; dass ich dann ruhiger werde und mich entspanne und damit ich ihnen abnehme, dass sie mir wirklich helfen und mir nicht nur ein Geständnis entlocken wollen.
»Loch…«, platze ich heraus. »Lochie –« Nein, oh nein. Nur meine Familie nennt mich so. Nur meine Familie!
»Lochie, hören Sie mir zu! Wenn Sie heute mit uns kooperieren, wenn Sie uns alles erzählen, was geschehen ist, dann wird das einen großen Unterschied machen, wie das alles hier für Sie letztlich ausgeht. Wir sind alle nur Menschen. Wir machen alle Fehler, nicht? Sie sind erst achtzehn. Ich bin mir sicher, Sie haben das Ausmaß dessen, was Sie getan haben, nicht wirklich erkannt, und jeder Richter wird das bei seinem Urteil berücksichtigen.«
Ja, na klar. Was glaubt ihr eigentlich, wie dumm ich bin? Ich bin achtzehn und falle damit unter das Erwachsenenstrafrecht. Hebt euch eure Lügen und Manipulationsversuche für die auf, die wirklich etwas verbergen wollen.
Ich nicke und wische mir mit dem Handrücken über die Augen. Dann fahre ich mir mit den Händen in den Handschellen ungelenk durch die Haare. Ich fange zu reden an.
Die Lügen sind der einfachere Teil – wie ich Maya gezwungen habe, die Schule zu schwänzen, wie ich jede Nacht zu ihr ins Bett gekommen bin, immer dieselbe Drohung wiederholend, immer dieselbe Drohung, wenn sie mich anbettelte, sie doch in Ruhezu lassen. Aber wo ich
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